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Bislang kommt ein Gutteil des russischen Gases immer noch über die ukrainische Pipeline in die EU. Gazprom demonstriert nun unzweideutig, dass damit so bald wie möglich Schluss sein wird.

Foto: REUTERS/Sergei Karpukhin

Gazprom hat die "Scheidungspapiere" eingereicht: Der Konzern habe nun offiziell den ukrainischen Energieversorger Naftogas darüber informiert, dass er über den Schiedsgerichtshof in Stockholm eine Kündigung der Gasliefer- und Transitverträge eingeleitet habe, teilte Gazprom-Chef Alexej Miller am Montag mit. Entsprechende Vorankündigungen hatte Millers Vize Alexander Medwedew schon am Wochenende gemacht.

Die Kündigung gilt gemeinhin als Reaktion des russischen Energieriesen auf die jüngste juristische Schlappe. Ebenjenes Stockholmer Schiedsgericht hatte Gazprom in der vergangenen Woche zu einer Strafzahlung von 4,6 Milliarden Dollar wegen der zu niedrigen Auslastung der ukrainischen Transitpipeline verurteilt. Naftogas hingegen war im Dezember nur zu rund zwei Milliarden Dollar Kompensation verurteilt worden, weil die Ukraine ebenfalls weniger Gas beim russischen Nachbarn abgenommen hatte als vereinbart. Netto muss Gazprom dementsprechend 2,6 Milliarden Dollar zahlen.

Gazprom: "Asymmetrische Entscheidung"

Gazprom hatte das Urteil als ungerecht bezeichnet. Die "asymmetrische Entscheidung" bevorteile klar Naftogas in dem Rechtsstreit. "Wir sind kategorisch dagegen, dass die ökonomischen Probleme der Ukraine auf unsere Rechnung gelöst werden", klagte Miller. Das Weiterbestehen der Verträge sei unter solchen Umständen für Gazprom wirtschaftlich sinnlos, fügte er hinzu. Als ersten Schritt hatte Gazprom die eigentlich ab März geplante Wiederaufnahme der Gaslieferungen an die Ukraine auf Eis gelegt, was Kiew trotz der klirrenden Kälte zu akuten Sparmaßnahmen beim Gasverbrauch zwang.

Was zunächst wie ein reines Frustfoul aussieht, sei ein durchaus bedachter Schritt von Gazprom, meinen Experten. Die Kündigung ziele nicht allein darauf ab, den Druck auf die Ukraine zu erhöhen, sondern auch den auf Europa. Bislang nämlich kommt ein gehöriger Teil des russischen Gases immer noch über die ukrainische Pipeline in die EU. Gazprom demonstriert nun unzweideutig, dass damit so bald wie möglich Schluss sein wird. Notfalls ist Russland sogar bereit, weitere Vertragsstrafen in Kauf zu nehmen.

Widerstand aus Brüssel

Mit dieser Strategie soll die EU-Kommission zu einem Entgegenkommen bei der Pipeline Nord Stream 2 gedrängt werden, an der sich auch die OMV beteiligen möchte, gegen die es aber in Brüssel nach wie vor Widerstand gibt. Der Zweitstrang der Ostseepipeline hätte eine Kapazität von 55 Milliarden Kubikmetern, die Hälfte dessen, was durch die Ukraine fließen kann.

Daneben will Gazprom damit auch den Weg für den südlichen Gaskorridor erzwingen. Das könnte sowohl die Wiederbelebung der Pipeline South Stream durch Bulgarien bedeuten als auch eine Verlängerung und Erweiterung der jetzt geplanten Leitung Turk Stream. Auch über die Projekte sind Moskau und Brüssel uneins. Mit dem Kappen der ukrainischen Transitleitung hat der Kreml verdeutlicht, dass er die Gespräche zu seinen Bedingungen führen will. (André Ballin aus Moskau, 5.3.2018)