Zweifellos erleichtert das Whistleblowingsystem die Meldung von Kartellrechtsverstößen und ermöglicht gleichzeitig die Übermittlung von Unterlagen an die Behörde.

Illustration: Davor Markovic

Mit der Vorstellung des neuen Whistleblowingsystems der österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) am 8. Februar dieses Jahres hat diese nun in die Praxis umgesetzt, wozu sie im Vorjahr ermächtigt wurde: Das 2017 in Kraft getretene Kartell- und Wettbewerbsrechtsänderungsgesetz (KaWeRÄG 2017 – Umsetzung der Kartellschadenersatzrichtlinie) hatte der Behörde die Möglichkeit eingeräumt, ein internetbasiertes Hinweisgebersystem zu implementieren, über das Hinweise auf mögliche Kartellrechtsverletzungen auch anonym gemeldet werden können.

Auf der Website der BWB wird nicht nur das neue System vorgestellt und auch mit einem eigenen Video erläutert, es findet sich dazu auch eine Definition: "Ein Whistleblower ist eine Person, die über Informationen verfügt, welche für die allgemeine Öffentlichkeit nicht zugänglich sind und dazu dienen können, Rechtsverstöße aufzudecken und abzustellen."

"Anonymer" Dialog möglich

Schon bisher war es möglich, Verdachtsfälle an die BWB heranzutragen, etwa mittels Beschwerdeformular oder einfach mündlich am Telefon. Einem Wunsch auf Wahrung der Anonymität hat die BWB dabei schon bisher – auch aus eigenem Interesse – entsprochen, schon allein um ihre Vertraulichkeit unter Beweis zu stellen. Progressiv am nun vorgestellten System ist, dass trotz Anonymität die Kommunikation zwischen dem Whistleblower und der BWB möglich ist. Eingegangene Hinweise sind technisch nicht rückverfolgbar, aber das System bietet der Behörde die Möglichkeit, mittels "Postkasten" zur weiteren Aufbereitung eines Falles allfällige Rückfragen an den Verdachtsmelder zu stellen.

Das neue System ist schon seit einigen Jahren erfolgreich bei der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption wie auch beim deutschen Bundeskartellamt in Verwendung. Es richtet sich an Insider wie etwa Mitarbeiter oder Mitbewerber, die über besondere Kenntnisse oder Wissen über Wettbewerbsbeschränkungen verfügen und die sich sonst davor scheuen würden, diese Informationen offenzulegen. Das System ermöglicht zudem, dass Unterlagen und Dokumente anonym hochgeladen werden können.

Kein hundertprozentiger Schutz

Hinter dem Wunsch eines Whistleblowers nach Anonymität steckt wohl in erster Linie die Angst vor Repressalien, etwa durch den Arbeitgeber. In dieser Hinsicht bietet aber kein elektronisches System, selbst wenn eine technische Rückverfolgung ausgeschlossen ist, absolut wirksamen Schutz. Stellt etwa die BWB auf Basis einer Verdachtsmeldung weitere Ermittlungen gegen ein Unternehmen an, so wird es dem Unternehmen – ausgehend vom Ermittlungsansatz der BWB – unter Umständen früher oder später möglich sein, Rückschlüsse auf den Whistleblower zu ziehen. Handelt es sich um einen Mitarbeiter, wird dieser berufliche Konsequenzen zu fürchten haben.

Um das Melden von Verdachtsfällen tatsächlich uneingeschränkt attraktiv zu machen, bräuchte es daher wohl zusätzlich einen umfassenden Schutz von Whistleblowern vor negativen beruflichen Konsequenzen, wie er etwa auch im Börsengesetz vorgesehen ist. Regelungen dazu enthält das KaWeRÄG 2017 allerdings nicht.

Gefahr für Kronzeugenregelung

Nicht nur für Mitarbeiter könnte das neue Whistleblowingsystem der BWB negative Konsequenzen haben, sondern auch für die betroffenen Unternehmen selbst. Es stellt sich nämlich die Frage, ob das neue System nicht zu einer "Gefahr" für die etablierte Kronzeugenregelung werden könnte.

Aus Unternehmenssicht besteht insbesondere das Risiko, dass Mitarbeiter sich künftig unmittelbar an die BWB wenden könnten, anstatt einen Verdacht zunächst unternehmensintern zu melden. In solch einem Fall könnte das betroffene Unternehmen unter Umständen um die Möglichkeit gebracht werden, nach geordneter interner Aufklärung des Sachverhalts einen Kronzeugenantrag an die BWB zu stellen.

Zweck eines derartigen Kronzeugenantrags wäre entweder der gänzliche Erlass einer Geldbuße oder aber zumindest eine wesentliche Reduktion derselben. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Behörde vor dem Kronzeugenantrag noch keine Kenntnis von der Kartellrechtsverletzung erlangt hat. Diese Voraussetzung fällt weg, wenn die BWB vor dem Kronzeugenantrag seitens des Unternehmens von einem Verstoß durch einen Whistleblower erfährt.

Künftig wird daher noch stärker auf eine sorgfältige Schulung der Mitarbeiter zu achten sein, um angemessenes Verhalten bei der Aufklärung vermeintlicher Kartellverstöße sicherzustellen.

Zweifellos erleichtert das Whistleblowingsystem die Meldung von Kartellrechtsverstößen und ermöglicht gleichzeitig die Übermittlung von Unterlagen an die Behörde. Spannend wird es sein zu beobachten, ob das neue System auch zu einem spürbaren Anstieg an Hinweisen führen wird. Zeigen wird sich außerdem, ob Kronzeugenanträge in Folge dessen abnehmen werden. (Martin Eckel, 8.3.2018)