Wien – Wenn man in der Lotterie des Lebens das Los gezogen hätte, eine Frau zu sein, dann wäre es natürlich der Jackpot, wenn man ein bisschen etwas von Martha Argerich abbekommen hätte: Sie ist anarchistisch und souverän; umjubelt, obwohl am Jubel uninteressiert. Eine Löwin, zu der die ihr ergebenen Lämmchen pilgern, weil sie ihre Krallen nur am Steinway ausfährt. Milde lächelnd trippelt die Argentinierin mittlerweile durch ihr achtes Lebensjahrzehnt.

Im Konzerthaus unternahm die Argerich mit ihrer langjährigen Pianopartnerin, Lilya Zilberstein, auf zwei Flügeln eine Reise durch die Palastanlagen der romantischen Klaviermusik. Robert Schumanns Studien für den Pedalflügel op. 56 (in der Bearbeitung für zwei Klaviere von Claude Debussy) gaben dafür das entspannte Entrée: Abgeklärt und altersmilde musizierten die zwei Pianistinnen hier zumeist, sogar das von Staccato-Lebendigkeit erfrischte fünfte der sechs Stücke in kanonischer Form, Pas trop vite, schnurrte wohlerzogen ab.

Dekorateur und Effekthascher

Auf Schumann folgte einer der pompösen Dekorateure und Effekthascher dieser Zeit: Franz Liszt, der Zauberer von Oz der Romantik. Sein Concerto pathétique erinnert in den besten, den rezitativischen Ausschnitten an seine großartige h-Moll-Sonate, in den Schützengräben der Leidenschaft fährt Liszt bevorzugt Doppeloktaven-Geballere auf. Dieses interpretierten Zilberstein und Argerich virtuos, gaben sich aber auf eine recht kaltschnäuzige Art heißblütig. Eine Solopassage Argerichs erfrischte mit nuancierter Stimmungszeichnung.

Es folgten die späten Symphonischen Tänze op. 45 von Sergej Rachmaninow, einem der letzten Untermieter im Haus der Romantik. Zilberstein bot rhythmische Prägnanz, die Russin absolvierte Passagen wie das Samba-Thema von Milhauds Brazileira aus Scaramouche mit der unerschütterlichen Exaktheit, mit der eine Bodenturnerin ihre Flickflacks hinlegt. Dieser zweiten Zugabe war Tschaikowskys Tanz der Zuckerfee vorausgegangen, mit einem Pedalschleier auf zauberhafte Weise aquarellisiert. Volksfeststimmung im Konzerthaus. (Stefan Ender, 6.3.2018)