Links oder rechts? Der gemeine Kärntner kann ob der komplexen Auswirkung seiner Stimmabgabe schon einmal durcheinanderkommen: Hätte er einer Partei mehr Macht zugestehen wollen, hätte er sie – zumindest in bestimmten Wahlkreisen – nur ja nicht wählen dürfen.

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Sollen Parteien sich mehr Wähler wünschen, damit sie mehr Mandate bekommen? Ja, sogar auch in Kärnten. Aber ja nicht zu viele mehr.

Das Endergebnis der Landtagswahl in Kärnten lautet: SPÖ 18 Mandate, FPÖ neun, ÖVP sechs, Team Kärnten drei Mandate. 18 Mandate sind eine Sperrmehrheit, es kann kein Beschluss dagegen gefasst werden. Das 18. Mandat ist also politisch sehr wichtig.

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Hätte die FPÖ im Wahlkreis Klagenfurt 79 Stimmen mehr, dann hätte sie ein Mandat mehr und die SPÖ ein Mandat weniger. Das wäre auch bei 80 bis 105 Stimmen mehr der Fall. Bei 106 Stimmen mehr allerdings wäre dieses zusätzliche Mandat aber wieder verloren. Bei 79 bis 105 Stimmen mehr hätte die FPÖ also ein Mandat mehr, ab 106 Stimmen mehr aber wäre es wieder verloren.

Auch bei der SPÖ gibt es einen ähnlichen Effekt. Hätte die SPÖ im Wahlkreis Villach 119 Stimmen weniger, dann hätte sie nur mehr 17 Mandate. Ebenso wäre das bei 120 bis 1504 Stimmen weniger. Hätte sie allerdings 1505 Stimmen weniger, dann hätte sie trotzdem 18 Mandate.

Und noch etwas Seltsames gibt es: Hätte die ÖVP im Wahlkreis Villach 142 Stimmen mehr, dann hätte sie selber zwar nichts davon, aber die SPÖ hätte ein Mandat weniger und die FPÖ ein Mandat mehr. Ab 1510 Stimmen mehr gäbe es diese Verschiebung nicht mehr, das Ergebnis wäre wieder 18/9/6/3 Mandate.

Typischerweise erwartete man von einem Mandatsermittlungsverfahren, dass die Mandatszahl einer Partei größer (oder jedenfalls nicht kleiner) wird, wenn die Stimmenzahl dieser Partei größer wird und die aller anderen Parteien gleich bleibt.

Das ist bei der Kärntner Landtagswahlordnung aber nicht der Fall. Die Mandate werden in einem zweistufigen Verfahren vergeben. In beiden Schritten wird eine Wahlzahl ermittelt. Im ersten Schritt wird in jedem Wahlkreis die Zahl der gültigen Stimmen durch die Zahl der im Wahlkreise zu vergebenden Mandate dividiert, der Quotient wird aufgerundet, und das ist die Wahlzahl (dieses Verfahren heißt Hare'sches Verfahren).

Die Wahlzahlen liegen diesmal zwischen 7972 und 8562. Dann erhält jede Partei die dieser Wahlzahl entsprechende Zahl von Mandaten, und die "unverbrauchten" Stimmen (also der Überschuss über Mandatszahl x Wahlzahl) werden für jede Partei für alle Wahlkreise addiert. Das sind dann die Reststimmen.

Da im ersten Schritt auf jeden Fall Mandate übrig bleiben, gibt es zu vergebende Restmandate. Diese werden im zweiten Schritt verteilt. Dazu wird wieder eine Wahlzahl berechnet, und zwar mit der Methode nach D'Hondt. Das ist die größtmögliche Wahlzahl, mit der man gerade noch alle Restmandate vergeben kann, und sie beträgt diesmal 5354,5. Ein Grundmandat ist also um die Hälfte "teurer" als ein Restmandat. Die SPÖ hat 16 Grundmandate und zwei Restmandate, die FPÖ hat fünf Grundmandate und vier Restmandate. Die FPÖ hat also im Schnitt ihre Mandate "billiger" bekommen.

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Hauptgrund für diesen Effekt ist die strikte Trennung in Grundmandatsverfahren und Reststimmenverfahren. Die Nationalratswahlordnung und mittlerweile auch die Landtagswahlordnungen von Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg lösen dieses Problem elegant. Es gibt zwar ebenfalls ein Grundmandatsverfahren, aber dann kommen alle Stimmen (mit Ausnahme derer, die unter eine Sperrklausel fallen) in ein landes- oder bundesweites zweites Ermittlungsverfahren. In diesem Schritt werden alle Mandate vergeben und schon vergebene Grundmandate einfach angerechnet.

Erhält also eine Partei 19 Mandate und sieben davon sind schon als Grundmandate vergeben, dann werden nur zwölf Mandate über die Bundes- oder Landesliste vergeben. Bei einem derartigen Verfahren kann es nie passieren, dass mehr Stimmen für eine Partei weniger Mandate für diese Partei zur Folge haben.

Das Kärntner Wahlrecht entspricht ziemlich genau dem Wahlrecht, das von 1971 bis 1992 für Nationalratswahlen in Kraft war.

Die österreichische Verfassung sieht vor, dass Wahlen nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts abzuwickeln sind. Als Statistiker und Mathematiker bin ich der Meinung, dass ein Wahlrecht mit derartig irregulären Effekten (weniger Stimmen führen zu mehr Mandaten) diesen Grundsätzen eigentlich nicht entspricht. Die festgestellten Irregularitäten erhöhen außerdem wahrscheinlich auch die Versuchung, Wahlen anzufechten.

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Vielleicht sollten sich (Landes-) Gesetzgeber und Verfassungsgerichtshof mit dieser Frage beschäftigen.

Übrigens: Wäre in der Kärntner Landtagswahlordnung ein landesweites zweites Ermittlungsverfahren (wie in Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg) vorgesehen, dann wäre das Mandatsergebnis folgendes: SPÖ 19, FPÖ neun, ÖVP sechs, Team Kärnten zwei. Die SPÖ hätte also sogar eine absolute Mehrheit. (Erich Neuwirth, 6.3.2018)