Wo man sich trifft und anonym den eigenen Weltekel bespricht: Johanna Wolff beim Chat im Theater Hamakom in der Leopoldstadt.


Foto: Marcel Koehler

Wien – Der Titel des neuen Stückes von Sasha Marianna Salzmann ist für sich besehen schon ein kleines Drama: Verstehen Sie den Dschihadismus in acht Schritten (Zucken). Er enthält eine Aufforderung von solcher Dringlichkeit, dass man sich hütet, ihr nicht Folge zu leisten. Drei Lebensentwürfe entfaltet Salzmann, Jahrgang 1985, in aller Hast vor unseren Augen. Das erstaufführende Theater Hamakom im Nestroyhof bildet den szenisch kargen Nährboden für die Radikalisierung unserer Jugendlichen.

Ein junges Mädchen (Johanna Wolff) kippt beim Knüpfen einer Whatsapp-Bekanntschaft kopfüber in ihr unsichtbares Gegenüber hinein. Die Einträge werden als Textkärtchen jeweils unter den Beamer gelegt – und somit verfremdet. Der Kerl am anderen Ende der Leitung verabscheut Emoticons und andere Zeugnisse kommunikativer Hilflosigkeit. Leidenschaften drückt er bevorzugt im Jubelton des Korans aus. Am Schluss wird das Mädchen mit einem Rucksack voller Messer in die Welt hinausziehen. Sie wird dabei noch von Glück reden können, nicht von einem Angestellten mit Wohlstandsflausen im Kopf an der nächstbesten Bushaltestelle über den Haufen geschossen zu werden.

Salzmann, deren Romandebüt Außer sich unlängst viele Lobesworte auf sich zog, bearbeitet echte (und vermeintliche) Krisenherde unserer Wohlstandsgesellschaft mit dem Ehrgeiz einer Buchhalterin, die sich verwegen dünkt. Jana Vettens Wiener Inszenierung arbeitet ihr noch zu, indem sie – bei kluger Kürzung des Stückes – die Stimmung eines säkularen Hochamts erzeugt.

Schwerer wiegen die grundsätzlichen Einwände gegen den Text. Immerzu wird die Seelenpein junger und jüngster Mitbürgerinnen und Mitbürger in Krisenbefunde übersetzt. Zwei kahle Burschen (Robert Huschenbett, Bastian Parpan) lernen einander beim Verzehr von Karamellschokoriegeln kennen. Prompt bildet ein schwules Intermezzo der beiden für Pawlik (Parpan) die Grundlage für seine Entscheidung, in den unerklärten Krieg in die Ukraine zu ziehen.

Es herrscht Bürgerkrieg in den Köpfen und Herzen. Und doch misstraut man einer szenischen Alarmstimmung, die so tut, als würde von kaum Mündigen unausgesetzt gefordert, Entscheidungen über Leben und Tod zu treffen. Die Behauptung eines solchen Dezisionismus ist ihrerseits reine Ideologie. Und so verlässt man das Hamakom-Theater nicht alarmiert, sondern allenfalls leise verärgert. Auch wenn Ingrid Lang und Robert Huschenbett, etwa gesanglich und körperartistisch, feine Momente verzeichnen. (Ronald Pohl, 7.3.2018)