Wien/Bern – Gegenseitige Unterstützung nach dem Motto "Wie du mir, so ich dir" war bei der Entstehung von Kooperation wohl wichtiger als Verwandtenhilfe. Diesen Schluss ziehen Biologen der Uni Bern nach Versuchen mit Wanderratten. Die helfen Artgenossen, wenn sie zuvor Beistand von ihnen bekommen haben – Verwandten wird erstaunlicherweise weniger geholfen als Fremden, berichten sie im Fachblatt "Proceedings B" der Royal Society.

In einer Welt voller egoistischer Gene und Individuen war es lange Zeit unklar, wie durch die Evolution Kooperation entstehen konnte. Viele Forscher meinten, "Verwandtenselektion" sei dafür verantwortlich, denn nahe verwandte Tiere haben viele idente Gene. Unterstützen sie zum Beispiel Geschwister, trägt das dazu bei, dass die gemeinsamen Gene weitergegeben und verbreitet werden. In jüngster Zeit bekam dieser Mechanismus jedoch Konkurrenz von der "Gegenseitigkeit", also dass auch wildfremde Individuen einen Vorteil in der natürlichen Auslese haben, wenn sie einander helfen.

Das Experiment

Der österreichische Biologe Michael Taborsky vom Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern hat mit seiner Doktorandin Manon Schweinfurth bei Ratten experimentell untersucht, welcher der beiden Mechanismen wichtiger ist. Die Nager konnten einander in der Versuchsanordnung paarweise leckere Haferflocken zuschieben. Und sie taten dies viel häufiger, wenn sie von den jeweiligen Partnern schon früher solch einen Freundschaftsdienst erhalten haben, berichten die Forscher.

"Zu unserer großen Überraschung tauschten verwandte Ratten untereinander weniger Hilfe aus, als nicht-verwandte", sagt Taborsky. Das Prinzip Gegenseitigkeit funktioniere zwar auch bei Geschwistern, allerdings helfen nichtverwandte Tiere generell mehr. "Wir konnten also zeigen, dass der evolutionäre Mechanismus, auf dem Kooperation beruht, nicht der Lehrmeinung entsprechend 'Verwandtenselektion', sein kann, sondern 'Gegenseitigkeit'", sagt er. (APA, 7. 3. 2018)