Mehr und mehr Frauen studieren. Doch die wissenschaftliche Karriereleiter erklimmen Männer noch immer schneller.

Illustration: Fatih Aydogdu

Wien Frauen haben ihre männlichen Kollegen zwar mittlerweile bei den Studienanfängern überholt – dort stellen sie mit 54 Prozent die Mehrheit. Sobald es aber auf der akademischen Leiter bergauf geht, nimmt der Frauenanteil ab. In diversen Absichtserklärungen wird zwar – nicht nur am Weltfrauentag – immer wieder erklärt, dass die Rolle von Frauen an den Universitäten gestärkt werden soll. Tatsächlich brachten die vergangenen Jahre auch einige Erfolge, etwa beim Anteil weiblicher Berufungen oder bei der Bestellung von Rektorinnen. Mit der Novelle zum Universitätsgesetz, die vergangene Woche beschlossen worden ist, könnten allerdings zusätzliche Hürden für Frauen an Universitäten geschaffen worden sein – das jedenfalls wird von der Arbeiterkammer befürchtet.

Konkret betrifft das die Zugangsbeschränkungen, die ab Herbst 2019 für weitere Fächer, nämlich Jus, Erziehungswissenschaften und Fremdsprachen, gelten. Gibt es in diesen Studienrichtungen künftig mehr Bewerber als vorgesehene Plätze, müssen sich die Studienanfänger einer Aufnahmeprüfung unterziehen. Dass gerade diese drei Fächer zu einem hohen Anteil von Frauen gewählt werden, scheint bei der Planung der Zugangsbeschränkungen nicht berücksichtigt worden zu sein, kritisiert Iris Schwarzenbacher, Referentin für Hochschulpolitik bei der Arbeiterkammer Wien. So lag etwa im Studienjahr 2015/16 der Frauenanteil bei neu aufgenommenen Studien in Erziehungswissenschaften bei 82 Prozent, in Fremdsprachen bei 78 Prozent und in Jus bei 57 Prozent. "Es ist also zu befürchten, dass vor allem Frauen ihr Wunschstudium nicht belegen können", sagt Schwarzenbacher.

Paradigmenwechsel

Dass das Wissenschaftsministerium künftig zusätzlich per Verordnung Beschränkungen für spezifische Studiengänge an einzelnen Unistandorten erlauben kann, stelle zudem einen "großen Paradigmenwechsel" dar, so Schwarzenbacher. Es sei davon auszugehen, dass jene, die den Aufnahmetest für ihr Wunschstudium nicht schaffen, in ähnliche Studienrichtungen ausweichen werden. Dasselbe sei etwa bei Medizin und den Ausweichstudien Biologie, Pharmazie oder Chemie zu beobachten gewesen. Befürchtet wird, dass ein Dominoeffekt eintritt und auch die Ausweichstudien per Verordnung beschränkt werden könnten.

Ob das längerfristig dazu führt, dass weniger Frauen ein Studium aufnehmen, könne man nicht mit Sicherheit sagen, so die Bildungsexpertin. Problematisch zu sehen sei jedenfalls der vorangegangene Gesetzwerdungsprozess: "Es wurde überhaupt nicht thematisiert, wen die Zugangsbeschränkungen im Detail betreffen werden – und welche Alternativen für die Betroffenen bestehen."

Wie sich Tests auswirken

Auch was die Gestaltung der Aufnahmeprüfungen angeht, müsse man sich "intensiv Gedanken machen". Dass sich die Tests geschlechterspezifisch auswirken können, wurde etwa jahrelang bei der Aufnahmeprüfung für das Medizinstudium kritisiert. Wenn Zugangsbeschränkungen eingeführt werden, brauche man begleitende Erhebungen, fordert Schwarzenbacher. Sozioökonomische und geschlechtsspezifische Faktoren sollen bereits bei den Bewerbern erfragt werden, um potenzielle Hürden erkennen zu könne: "Nur so kann man adäquat reagieren."

In der langfristigen Perspektive zeigen sich jedenfalls Verbesserungen für Frauen an den Unis: "Seit den 1970er-Jahren ist einiges vorwärtsgegangen", meint die Philosophin Elisabeth Nemeth, die von 2012 bis 2016 Dekanin der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaften an der Universität Wien war. "Andererseits kann man nicht verleugnen, dass man umso weniger Frauen sieht, umso höher man in der Unihierarchie kommt."

Breite statt Höhe

Tatsächlich dünnt sich der Frauenanteil bis zur Professorenebene auf 23,7 Prozent aus. Den ersten kleinen Einbruch gibt es bereits beim Übertritt vom Bachelor- auf ein Masterstudium. Frauen tendieren eher dazu, in die Breite statt in die Höhe zu studieren. Dramatisch wird es aber erst, wenn es darum geht zu dissertieren: So haben laut einer Erhebung des Instituts für Höhere Studien (IHS) 21 Prozent der Männer und nur 13 Prozent der Frauen 2012/13 innerhalb von zwei Jahren ein Doktoratsstudium begonnen.

Die Frage, welche die richtigen Strategien wären, um mehr Frauen an der Universität halten zu können, sei gar nicht so leicht zu beantworten, sagt Nemeth. Die Präsenz von Frauen durch Quoten zu erhöhen, ist für sie plausibel und gut – dann gebe es in den Kommissionen auch ein höheres Bewusstsein für Gleichstellungsfragen. Nur: Die wenigen Frauen hätten dann oft mit einer Doppelbelastung zu kämpfen. "Das ist auch nicht unbedingt karrierefördernd", sagt Nemeth. "Es ist eine zwiespältige Angelegenheit."

Rhetorik als Problem

Die Rhetorik der Exzellenz, die derzeit im Wissenschaftsbetrieb herrsche, sei jedenfalls ein großes Problem. Man wisse, dass das Frauen aufgrund ihrer Sozialisierung psychologisch abschrecke. "Wenn wir uns ehrlich sind, wäre ein kooperativerer Zugang auch aus Wissenschaftsperspektive nicht schlecht", sagt Nemeth. "Derzeit schaut jeder Akteur für sich, dass er so weit und bedingungslos wie möglich nach vorn kommt." Das schade zwar vermehrt Frauen, aber auch Männern, die damit nicht zurechtkommen. "Wenn wir von der Ökonomisierung der Hochschulen reden wollen: Daran zeigt sie sich."

Nemeth kennt das Problem aus der Philosophie, bei der sich der Exzellenzgedanke mit dem Glauben, man müsse einen geniehaften Zugang mitbringen, toxisch verbinde. "Wir müssen so unterrichten, dass klar wird, dass man sich die Wissenschaft durch Arbeit aneignen kann."(Vanessa Gaigg, 8.3.2018)