Wien – Österreich hat zwar nach wie vor eine gewisse Vorbildrolle beim Schutz vor Gewalt an Frauen, etwa durch das Opferschutzgesetz. Allgemein – und auch auf internationaler Ebene – gibt es jedoch Rückschritte. Zu diesem vorläufigen Fazit kamen Expertinnen im Rahmen einer Veranstaltung anlässlich des Internationalen Frauentages, organisiert von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie.

"Die Stellung der Frau in Europa hat sich verschlechtert. Das ist ein Trend, den wir generell beobachten", sagte Angelika Mlinar (NEOS), Abgeordnete im Europäischen Parlament. So scheitere die Ratifizierung der Istanbul-Konvention, dem Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, zum Teil am massiven Widerstand einzelner Mitgliedstaaten. Auch der EU-Vorsitz Bulgariens werde in dieser Sache eher keinen Erfolg zeitigen. Der Begriff "Gender" löse in manchen Ländern Proteste aus, gerade Männer hätten oft Angst vor einer vermeintlichen Bedrohung, berichtete Mlinar. Vonseiten christlicher Kirchen komme ebenfalls starker Widerstand, etwa in Bulgarien oder der Slowakei. Auch in Ungarn sei die Lage derzeit erschreckend, Aktivistinnen würden mit dem Tod bedroht werden.

Gleichstellung kaum Thema

EU-weit gab jede dritte Frau über 15 Jahren an, bereits körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt zu haben, in Österreich ist es jede Fünfte. Eine von 20 Frauen in der EU wurde vergewaltigt. "Die #MeeToo-Kampagne hat gezeigt, wie Sex bzw. sexuelle Gewalt als Mittel der Macht eingesetzt wird", so Mlinar. "2018 sollte man nicht mehr über die Rechte von Frauen diskutieren müssen, aber leider ist es kein Thema von gestern."

Seit die Istanbul-Konvention 2013 von Österreich ratifiziert wurde, habe sich nicht viel verändert, übte Frauen- und Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) Kritik. Als bedeutend für wirkungsvollen Gewaltschutz sieht sie die Kooperation der daran beteiligten Institutionen und hob die von der Regierung geplanten 100 zusätzlichen Plätze in Frauenhäusern in Österreich hervor. Zudem sei innerhalb der "Taskforce Gewalt" eine Verschärfung des Strafrechts angedacht, die in einer größeren Zahl an Verurteilungen der Täter münden solle. Die Ratifizierung der Istanbul-Konvention sieht sie als eines der Ziele des EU-Vorsitzes Österreichs.

Auch Rosa Logar, Geschäftsführerin der Interventionsstelle und Grevio-Mitglied im Europarat, hofft auf einen positiven Einfluss des österreichischen EU-Vorsitzes: "Das wäre ein großes Zeichen, wenn Österreich diesen Schritt macht." In Sachen Gewaltschutz sei es wichtig, "schon vorher etwas zu unternehmen und nicht zu warten, bis etwas passiert". Ein grundlegendes Problem sei generell die Frage nach der Gleichstellung der Geschlechter, diese sei etwa in manchen EU-Staaten kaum Thema. Ein wirklich umfassender Aktionsplan der Regierung müsse über eine Taskforce hinausgehen – das Problem sei nicht allein durch strafrechtliche Maßnahmen lösbar. "Österreich soll eine aktive Rolle übernehmen", wünscht sie sich. "Der Grevio-Bericht wird hoffentlich bald im Parlament diskutiert."

"Starke Führungsrolle" Österreichs

Österreich ist eines der ersten Länder, die der vom Europarat installierte Monitoring-Mechanismus Grevio (Group of Experts on Action against Violence against Women and Domestic Violence) hinsichtlich des Umgangs mit Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt geprüft hat. Das Ergebnis des Berichts wurde am 27. September vergangenen Jahres veröffentlicht. Grundsätzlich bescheinigte GREVIO Österreich eine "starke Führungsrolle" beim Schutz vor häuslicher Gewalt, in mehreren Bereichen gebe es jedoch Verbesserungsbedarf.

Diese sind laut Monitoring im Bereich spezialisierter Einrichtungen für von bestimmten Gewaltformen betroffene Frauen nötig, etwa für Opfer von Vergewaltigung oder spezifische Zielgruppen wie Migrantinnen oder Frauen mit Behinderungen. Alle neun Bundesländer müssten laut den Experten etwa mit Beratungsstellen für Opfer von sexueller Gewalt und Vergewaltigung ausgestattet sein. Viel zu gering ist laut Grevio derzeit auch die Unterstützung für Opfer von weiblicher Genitalverstümmelung oder Zwangsehe. Asylsuchenden Frauen muss es ermöglicht werden, in ihren Verfahren unabhängig von ihrer Familie über geschlechtsspezifische Gewalt zu berichten. Um eine entsprechende Sensibilität für das Thema zu erreichen, müssten etwa SachbearbeiterInnen und ÜbersetzerInnen speziell geschult werden. (APA, 8.3.2018)