Wien/Schärding – Der frühere oberösterreichische FPÖ-Chef Lutz Weinzinger, selbst Mitglied der Bruna Sudetia, hat in einem Interview Burschenschafter gegen den Vorwurf der NS-Nähe in Schutz genommen, mit dem man sie aus den Büros der Regierung herausbekommen wolle. Gerade sie, "die von den Nazis verfolgt wurden wie die Juden am Anfang", klagte er gegenüber der "Bezirksrundschau Schärding".

Zu den in Kritik stehenden Liederbüchern mit krass antisemitischen Inhalten sagte der 75-Jährige, der auch vier Jahre lang für die FPÖ im Nationalrat war und auf der Website des aktuellen oberösterreichischen FPÖ-Chefs Manfred Haimbuchner als dessen "väterlicher Freund" bezeichnet wird: "Ich kann sie nicht kennen, weil es sie nicht gibt."

Lieder selbst ausgesucht

In jeder Burschenschaft sei das "ADK", das Allgemeine Deutsche Kommersbuch, im Einsatz. Daraus suche sich jede Verbindung ihre Lieblingslieder aus und mache daraus ein kleines Liederbuch.

"Auch die Brunen haben das so gehandhabt. Aber dieses Buch ist nicht ident mit jenem, das dem 'Falter' vorliegt. Das Lied mit der besagten Strophe befindet sich dezidiert nicht darin." In dem vom "Falter" bekannt gemachten Liederbuch – dessen Echtheit von der Burschenschaft bestritten wird – findet sich unter anderem die Liedzeile: "Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: 'Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million.'"

Diese Strophe kenne er aber natürlich, "doch doch", so Weinzinger. In seiner Gegenwart sei sie aber nie gesungen worden. "Sie hat auch mit der tatsächlichen Judenverfolgung absolut nichts zu tun."

Zahlen zur Judenverfolgung "ironisch gemeint"

Wie er das meine? "Weil ich weiß, woher sie kommt. Und zwar war bei den Nürnberger Prozessen zunächst von einer Million Juden, dann von zwei Millionen und so weiter bis zu sechs Millionen Juden die Rede. 'Wir schaffen die siebte Million' war folglich ironisch gemeint. Inzwischen sind die sechs Millionen ja abgesichert. Wer die sechs Millionen bestreitet, hat mit einem Strafprozess zu rechen. Daher ist es sinnlos, das zu singen, und es wird auch nicht gesungen. Zudem ist es heute gefährlich, über so etwas überhaupt zu reden."

Zur angeblichen Verfolgung durch die Nazis erklärte er, dass seine Verbindung 1936 unter staatliche Aufsicht gekommen sei. "Und im 38er-Jahr, nach dem Anschluss, sind wir verboten worden. Denn das NS-Regime hat uns, wie alle anderen Verbindungen auch, abgelehnt. Die haben uns das Haus weggenommen. Die haben uns verboten, einen normalen Aktivbetrieb zu führen. Warum sollen wir also Nazi-Lieder singen?"

Bruna Sudetia habe lange jüdische Mitglieder gehabt

Die Bruna Sudetia habe sich zudem lange davor geweigert, Juden rauszuwerfen. "Das Ergebnis: Wir sind zehn Jahre lang von allen anderen Korporationen in Wien gemieden worden. Bis die Gründungsburschen-Juden gesagt haben, das tun wir euch nicht mehr an, und freiwillig ausgetreten sind. Die Bruna Sudetia war nie eine antijüdische Verbindung", sagte Weinzinger.

Die SPÖ reagierte empört. Sabine Schatz, SPÖ-Sprecherin für Gedenkkultur, wirft Weinzinger vor, die antisemitische Verfolgung von Juden und Jüdinnen durch die Nationalsozialisten zu verharmlosen, indem er sie mit der Situation von Burschenschaftern gleichsetzt: "Herr Weinzinger vergleicht, was nicht verglichen werden kann. Wer die Situation von deutschnationalen Burschenschaften mit der Diskriminierung von Juden und Jüdinnen gleichsetzt, hat entweder kein Wissen über die NS-Herrschaft und deren Verfolgungspolitik – oder will bewusst provozieren. Zu vermuten ist Letzteres." (APA, 8.3.2018)