Präsident Sisi (auf einem Wahlplakat in Kairo) geht ohne Konkurrenz in den ägyptischen Präsidentschaftswahlkampf.

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"Moussa? Moussa wer?" Der junge Mann in Stoffhose und Jackett reagiert irritiert. Auf dem Namensschild steht Walid. Der Mittzwanziger stellt Kaffee und Wasser ab. Nein, einen Moussa Mustafa Moussa kenne er nicht. "Wer soll das sein?" So wie dem dunkelhaarigen, akkurat frisierten Kellner am Flughafen Kairo geht es momentan vielen im warmen ägyptischen Frühling. Zwei Wochen vor der Präsidentenwahl ist das Interesse daran mäßig. Der Sieger steht so gut wie fest. Der alte Präsident wird auch der neue sein: Abdelfattah al-Sisi, der wie fast alle ägyptischen Präsidenten aus dem Militär stammt. Groß ist die Befürchtung in dessen Umfeld, dass die Wahlbeteiligung unter die bereits niedrige Marke von vor vier Jahren fallen könnte. 2014 gaben nur 47,5 Prozent der Ägypter ihre Stimme ab. Noch weniger, das würde im Westen keinen guten Eindruck machen.

"Ja, es gibt noch einen Kandidaten, der antritt", sagt Diana. Man merkt, sie überlegt scharf. Der Name will aber auch ihr nicht einfallen. Diana ist Koptin. Für Christen sei es in Ägypten vor allem während der Herrschaft der Muslimbrüder zwischen 2012 und 2013 hart gewesen. Deren Anführer und erster gewählter Präsident nach der Revolution, Mohammed Mursi, sitzt wie viele andere aus dem Führungskader der inzwischen als Terrorgruppe eingestuften islamistischen Bewegung im Gefängnis. Ob sie glaube, dass die Uhr nochmals zurückgedreht werden könne? "Nein. Zurück will niemand ernsthaft."

Diana ist ausgebildete Fremdenführerin. Viele Jahre schon zeigt sie Touristen die Sehenswürdigkeiten des an antiken Schätzen so reichen Landes. Die Arbeit mache ihr Spaß, zumal es inzwischen auch viel sicherer geworden sei. Sie sei ein Fan von Sisi, auch wenn sie nicht mit allem einverstanden sei. "Das Leben ist deutlich teurer geworden", sagt Diana. "Die Preise steigen und steigen, die Einkommen hingegen kaum." Aber dank Sisi, der für Sicherheit sorge, kämen wieder mehr Touristen ins Land.

Omnipräsenter Sisi

Der Präsident lacht im Finale des Wahlkampfs von vielen Straßenlaternen. Transparente mit seinem Konterfei hängen großformatig von Hauswänden. Im Finish scheint Herausforderer Moussa Mustafa Moussa von der liberalen Al-Ghad-Partei aufzuholen – zumindest was die Präsenz im Straßenbild von Kairo betrifft. Ohne dessen Antritt in allerletzter Minute wäre die Wahl eine noch größere Farce gewesen. Zwei ernst zu nehmende Herausforderer, beide Militärs und somit aus demselben Lager wie der Präsident stammend, wurden an der Kandidatur gehindert. Der eine, Mohammed Anwar Sadat, Dissident und Neffe des ermordeten gleichnamigen Präsidenten, hat seine Kandidatur überraschend zurückgezogen. Der andere, Ex-Generalstabschef Sami Anan, ist verschwunden, manche vermuten ihn im Gefängnis.

Und Moussa Mustafa Moussa? Der hat angekündigt, auf jeden Fall Sisi den Vortritt zu lassen. Sisi dient sich dem Westen als Garant für Sicherheit und Stabilität in dieser unruhigen Region an. Er führt im Nordsinai Krieg, lässt von Polizei und Militär jeden Quadratmeter umdrehen, um Verstecke von Terroristen zu finden. Die gut 100 Millionen Ägypter beschäftigen andere Dinge. Etwa, wie sie den Lebensunterhalt bestreiten, den Kindern eine bessere Ausbildung geben, eine gute medizinische Behandlung erhalten können. Es gibt viele Initiativen und viel Kritik. Etwa, dass sich das Militär immer mehr Einfluss sichert, auch in der Wirtschaft.

Außenminister Sameh Shoukri lässt nichts über das Militär kommen. "Ich war bei den großen Demonstrationen gegen die Muslimbrüder auf der Straße, mit meiner Familie. Das Militär hat uns beschützt. Die Bevölkerung hat Mursi gestürzt, nicht das Militär hat geputscht", sagt Shoukri im Gespräch mit österreichischen Journalisten. Kritiker sagen, dass durch das harte Vorgehen viele Anhänger der Muslimbrüder in den Untergrund getrieben wurden und dass dadurch erst recht eine Zeitbombe ticke. Auch dass nach Angaben von Amnesty International zehntausende politische Häftlinge in Gefängnissen einsitzen, trage zur Radikalisierung und nicht zur Beruhigung bei.

Tatsächlich sind die Anschläge zurückgegangen. Nicht nur Flughäfen werden streng kontrolliert, auch bei Hotels, Museen und anderen öffentlichen Einrichtungen gibt es ohne Check kein Hineinkommen. Unter besonderem Schutz stehen nicht zuletzt die Kirchen der Kopten, die wiederholt Ziel von Angriffen mit islamistischem Hintergrund waren.

Europa "einmal sehen"

"Wer gebildet ist, wird nicht Terrorist", sagt Bischof Daniel, der Stellvertreter des kirchlichen Oberhauptes. Was macht Präsident Sisi, um das Bildungsniveau zu heben? "Er bemüht sich", sagt der Bischof. Ob das Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche, der auf einigen Wahlplakaten mit Sisi abgebildet ist, damit eine klare Wahlempfehlung für den amtierenden Präsidenten ausspreche? "Nein. Er ruft lediglich auf, zur Wahl zu gehen."

Walid, Kellner am Flughafen Kairo, weiß noch nicht, ob er wählen geht. Er weiß aber, dass er einmal nach Europa möchte. "Nicht für immer", sagt er, "nur einmal sehen." Er sei Borussia-Fan und möchte einmal bei einem Fußballmatch in Dortmund dabei sein. "Wenn es hier genug Arbeit gibt, warum soll ich weg?" (Günther Strobl aus Kairo, 9.3.2018)