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Auch zu Hause sollen Mitarbeiter laut einer Umfrage produktiv arbeiten. Die Arbeitgeber sind skeptischer.

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Als Fleur van Putten schwanger wurde, fragte sie ihren Chef, ob sie weniger arbeiten könne. "Natürlich", antwortete dieser. "Teilzeit ist kein Problem. Wenn du willst, kannst du auch zu Hause arbeiten. Das geht ebenfalls."

Die 35-jährige Holländerin, die inzwischen zweifache Mutter ist und Marketingmanagerin bei einer IT-Firma nordwestlich von Amsterdam, ließ sich das nicht zweimal sagen: Seit der Geburt der Kinder arbeitet sie nur noch 28 Stunden die Woche – drei Tage im Büro, einen halben Tag zu Hause.

Wann sie die vier Stunden zu Hause arbeitet, kann Fleur selbst entscheiden. Meistens ist es abends, wenn sie ungestört ist und die Kinder schlafen. Tagsüber beantwortet sie höchstens kurz ein paar E-Mails, überfliegt zur Kontrolle einen Text oder erledigt ein schnelles Telefonat. Mehr als Handy und Laptop braucht sie für ihr Home-Office nicht: "Meinen Vorgesetzten geht es um das Ergebnis. Wann und wo es zustande kommt, ist ihnen egal – Hauptsache, ich erledige alles pünktlich und so wie abgesprochen. Hauptsache, ich bin erreichbar und sorge für Transparenz."

Auch die Freunde und Freundinnen der jungen Holländerin arbeiten bereits fast alle stunden- oder tageweise zu Hause, und selbst deren eigener Mann: "Er hat einen Vollzeitjob, kann sich aber trotzdem einen halben Tag pro Woche um die Kinder kümmern", erzählt Fleur van Putten. "Die vier Stunden Heimarbeit verteilt er über mehrere Abende."

Recht auf Home-Office

Das Home-Office ist für die Niederländer seit 2015 sogar ein Recht, auf das sie pochen können. Zu verdanken haben sie es den Grünen, die dem – wie sie es nannten – "Anwesenheitswahn am Arbeitsplatz" den Kampf ansagen wollten. Die entsprechende Gesetzesvorlage wurde mit einer großen Mehrheit im Parlament verabschiedet. Für den Arbeitgeber ist es zwar keine Pflicht, seinen Arbeitnehmern dieses Recht einzuräumen – aber er muss triftige Gründe haben, um es abzulehnen: etwa wenn unlösbare Probleme in der Dienstplanung entstehen oder Sicherheitsrisiken.

Die Begeisterung der Arbeitgeberverbände hielt sich dennoch in Grenzen, sie fanden das neue Gesetz überflüssig. Viele fürchteten, ihre Mitarbeiter könnten das neue Recht missbrauchen und die Arbeitszeit zu Hause für andere Dinge nutzen.

Produktiver von zu Hause

Eine unbegründete Sorge, weiß Nick van der Meulen von der Rotterdam School of Management. Im Rahmen seiner Doktorarbeit über flexibles Arbeiten hat er eine erste repräsentative Umfrage unter Firmen durchgeführt. Ergebnis: Heimarbeit führt nicht zu weniger Produktivität – ganz im Gegenteil: "Ein Arbeitnehmer kann sogar produktiver sein, wenn er zu Hause arbeitet, denn manchmal ist die Ablenkung im Büro größer als daheim", so van der Meulen.

Man sollte allerdings nicht länger als drei Tage zu Hause arbeiten, sonst leide der Kontakt zur Firma und den Kollegen darunter. Eine weitere wichtige Voraussetzung: Der Chef müsse loslassen und seinen Arbeitnehmern vertrauen: "Er darf sie nicht dauernd anrufen und kontrollieren, damit erreicht er das Gegenteil."

Die flexible Unternehmenskultur der Niederländer und die gute Verfügbarkeit des Breitbandinternets haben dafür gesorgt, dass die Zahl der Heimarbeiter inzwischen auf 32 Prozent gestiegen ist.

Flexibler Arbeitsmarkt

Schon jetzt gehört der niederländische Arbeitsmarkt zu den flexibelsten der Welt: 40 Prozent der Niederländer haben einen befristeten Arbeitsvertrag. Sie arbeiten auf Abruf, als Zeitarbeitskraft, mit befristeten Verträgen oder als Selbstständige ohne Mitarbeiter. Nirgendwo sonst in Europa ist das Heer der flexiblen Arbeitskräfte in den letzten zehn Jahren so stark gewachsen wie hinter den Deichen, nämlich um sieben Prozent.

Auch die Zahl der kleinen Selbstständigen ohne Mitarbeiter gehört mit 12,2 Prozent zu den höchsten in Europa. Fast jeder Zweite arbeitet in Teilzeit. Der europäische Durchschnitt beträgt nur 19,9 Prozent.

Fleur van Putten ist sich jedenfalls sicher, dass dem Home-Office die Zukunft gehört: "Das Modell, dass wir alle zusammen morgens im Stau stehen und zur gleichen Zeit arbeiten, ist überholt. Es passt nicht mehr in diese Zeit." (Kerstin Schweighöfer aus Den Haag, 9.3.2018)