STANDARD: Die Behindertensportler stehen bei den Paralympics alle zwei Jahre im Rampenlicht. Was ist wichtiger, der sportliche Wettkampf oder die Aufmerksamkeit?
Rauch-Kallat: Der sportliche Wettkampf steht auf jeden Fall im Vordergrund. Wir sind aber froh, dass in den letzten Jahren die Aufmerksamkeit gestiegen ist. Ein Meilenstein waren sicher die Spiele in London. Seither ist das öffentliche Interesse gestiegen.
STANDARD: Was ist dort passiert?
Rauch-Kallat: Es war eine Überraschung für alle. Dem Sender Channel 4 ist das irgendwie passiert. Überraschenderweise hatte die Berichterstattung zu den Spielen plötzlich sehr hohe Einschaltquoten. Sie sind dann dabeigeblieben und produzieren seither wirklich schöne Inhalte. Auch die Atmosphäre in London und der öffentliche Zuspruch waren enorm. Die Sportstätten waren voll.
STANDARD: Passiert zwischen den Großevents genügend?
Rauch-Kallat: Es passiert jedenfalls mehr als früher, aber sicher noch nicht genug. Unser großes Ziel ist, dass die paralympischen Medaillen genauso abgefeiert werden wie die olympischen Erfolge. Die mediale Aufmerksamkeit ist einerseits als Anerkennung für die sportlichen Leistungen, aber natürlich auch für die einzelnen Sportler und deren Sponsoren wichtig. Die Sportler müssen ja auch ihre Lebenshaltungskosten tragen.
STANDARD: Im neuen Regierungsprogramm sind Menschen mit Behinderung eher eine Randnotiz. Wie läuft die Zusammenarbeit?
Rauch-Kallat: An sich gut, es gab bislang noch keine großen Überschneidungspunkte, weil sich alles erst konstituiert hat, während wir schon in den letzten Vorbereitungen waren. Es sind schon einige Punkte, die sich mit Menschen mit Behinderung befassen. Ich finde es zum Beispiel sehr wichtig, dass im Nationalrat Menschen mit Behinderung sitzen. Diese Tendenz ist wichtig. Ich glaube, dass der Weg der Inklusion voranschreitet. Wir hoffen außerdem auf das neue Bundessportförderungsgesetz. Alle haben uns versichert, dass das eingehalten wird. Und das ist fix budgetiert.
STANDARD: Wird jemand von der Regierung nach Pyeongchang kommen?
Rauch-Kallat: Ich würde es nicht ausschließen. Sportminister Strache haben wir angefragt, der hat uns aber abgesagt. Vielleicht kommt sonst noch jemand, es wird sich zeigen.
STANDARD: Athleten bekommen für paralympisches Gold 8000 Euro. Für olympisches Gold wurden 17.000 Euro ausbezahlt. In Deutschland gibt es gleich viel. Wieso ist das in Österreich nicht so?
Rauch-Kallat: Wir sind ja für die Entsendung des österreichischen Nationalteams zuständig. Unsere Subvention beträgt dabei 400.000 Euro. Das olympische Komitee hat ein Vielfaches davon, ich glaube zwei oder zweieinhalb Millionen Euro. Außerdem haben wir eine kleinere Anzahl an Sponsoren. Mein persönliches Ziel als Präsidentin ist aber die Gleichbehandlung. Zumindest die Ausstattung wurde immerhin schon angeglichen. Und wir sprechen hier von 40 bis 50 Ausrüstungsgegenständen, der Materialwert ist schon hier. Wir sind jedenfalls auf dem richtigen Weg. Das Ziel ist es, bis 2020 auf Gleichstand zu kommen.
STANDARD: Das Team ist mit 13 Sportlern gleich groß wie in Sotschi. Stagniert der Zulauf zum Behindertenleistungssport?
Rauch-Kallat: Ich würde nicht sagen, dass er stagniert. Es ist nämlich gar nicht mehr so einfach, sich für die Paralympischen Spiele zu qualifizieren. Die Kriterien sind streng. Früher waren alle Amateursportler, das ist jetzt nicht mehr denkbar. Sonst wäre es nicht möglich, in der internationalen Spitze dabei zu sein. Alle müssen sich über die Saison, den Weltcup oder bei Weltmeisterschaften qualifizieren. Die Resultate müssen schon passen.
STANDARD: Wie könnte man mehr Behinderte für den Spitzensport gewinnen?
Rauch-Kallat: Unsere Sportler sind zu 80 Prozent später verunglückt. Das bedeutet, dass sie früher Hobby- oder Profisportler waren und dann nach einem Unfall zum Behindertensport gekommen sind. Wir versuchen in Zukunft, über großflächige Talentsuche schon Kinder mit Behinderung für den Leistungssport zu begeistern. Davon erhoffen wir uns natürlich, einige Talente zu finden.
STANDARD: Auch heuer ist der Frauenanteil mit drei Sportlerinnen wieder sehr gering.
Rauch-Kallat: Für Frauen ist es besonders schwierig. Manche Frauen, die später verunglückt sind, haben ja schon eine Familie. Das ist dann eine doppelte und teilweise dreifache Belastung. Sie müssen ihre Familie, den Spitzensport, ihre Behinderung und die Lebenshaltung unter einen Hut bekommen. Zudem ist die Sponsorensuche viel schwieriger als für Sportlerinnen ohne Behinderung.
STANDARD: Was soll sich ändern? Haben Sie Wünsche?
Rauch-Kallat: Wir wünschen uns natürlich einmal mehr Subventionen. Rio war diesbezüglich eine Katastrophe. Wir waren mit den hohen Anreisekosten und infrastrukturell mit unserem Budget am Limit, konnten es aber gerade noch halten. Es mussten Pferde, Boote und Material transportiert werden. Das war ein enormer finanzieller Aufwand. Außerdem sind dann noch zusätzliche Securitykosten angefallen. Darüber hinaus soll die Inklusion über den Spitzensport weiter vorangetrieben werden. Ich wünsche mir mehr Frauen im Behindertensport und dass die Sportler dieselbe Anerkennung bekommen wie die Athleten ohne Behinderung. (Andreas Hagenauer, 9.3. 2018)