Per Mertesacker verteidigt seit 2011 bei Arsenal, davor war er für Werder Bremen und Hannover 96 in der deutschen Bundesliga im Einsatz.

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London – Per Mertesacker hat wenige Monate vor seinem Karriereende einen desillusionierenden Blick auf das Dasein als Profi-Fußballer geworfen. Die Privilegien seien ihm bewusst, aber "irgendwann realisierst du, dass alles eine Belastung ist, körperlich und mental. Dass es null mehr um Spaß geht, sondern dass du abliefern musst, ohne Wenn und Aber. Selbst wenn du verletzt bist", sagte der 33-Jährige dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".

"Endlich vorbei"

Sein Körper habe seine gesamte Karriere hinweg an Spieltagen mit Brechreiz und Durchfall auf den Druck reagiert, führte der Innenverteidiger FC Arsenal aus. In den Sekunden vor dem Anpfiff drehe sich ihm "der Magen um, als müsse ich mich übergeben. Ich muss dann einmal so heftig würgen, bis mir die Augen tränen."

Die ärgste Anspannung habe er während der WM 2006 in Deutschland verspürt, sagte Mertesacker, der damals 21 Jahre jung war: "Klar war ich auch enttäuscht, als wir gegen Italien ausgeschieden sind, aber vor allem war ich erleichtert. Ich weiß es noch, als wäre es heute. Ich dachte nur: Es ist vorbei, es ist vorbei. Endlich ist es vorbei."

Verletzung einzige Chance auf Auszeit

Die Verletzungen im Verlauf seiner Karriere führte Mertesacker, 2014 mit Deutschland Weltmeister, nicht zuletzt auf die hohe mentale Belastung zurück: "Wenn ich nicht mehr konnte, war ich verletzt, so war es immer. Ich behaupte sogar, dass viele wiederkehrende Verletzungen psychisch bedingt sind. Dass der Körper der Seele damit zu Ruhe verhilft. Aber das hinterfragt niemand."

In seiner Karriere habe sein Körper mindestens einmal im Jahr gestreikt. "Es denken alle, es wäre ein Drama, wenn du verletzt ausfällst – ist es nicht", sagte Mertesacker: "Denn es ist der einzige Weg, eine legitimierte Auszeit zu bekommen, mal raus zu sein aus der Mühle."

Am liebsten auf der Tribüne

Wegen eines Knorpelschadens im rechten Knie sei sein Körper "einfach durch", erklärte der 104-fache Internationale. Allerdings habe er auch "keinen Bock mehr". Jeder habe ihm gesagt, er solle das letzte Jahr richtig auskosten, noch mal so viel spielen wie möglich und alles aufsaugen. Doch Mertesacker sitze "am liebsten auf der Bank, noch lieber auf der Tribüne".

Bei seinem Abschiedsspiel im Mai werde er "mit über 30 zum ersten Mal in meinem Leben frei sein", erklärte Mertesacker, der anschließend die Leitung der Nachwuchsakademie des FC Arsenal übernehmen soll. In dieser Rolle wolle er "das System angreifen": Die Talente dürften nicht alles auf die Fußballkarte setzen, die Schule vernachlässigen. Schließlich schaffe am Ende nur ein Prozent von ihnen eine erfolgreiche Karriere als Profi. (sid, red, 10.3. 2018)