Ein Organigramm der chinesischen Machstruktur.

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Peking – In einem historischen Schritt hat der Nationale Volkskongress Chinas den Weg für Präsident Xi Jinping freigemacht, unbegrenzt im Amt bleiben zu können. Trotz Widerstands im Land hob das nicht frei gewählte Parlament am Sonntag in Peking die Begrenzung der Amtszeiten des Präsidenten auf zweimal fünf Jahre auf.

Um die Macht des Staats- und Parteichefs zu zementieren, wurde auch "Xi Jinpings Gedankengut für das neue Zeitalter des Sozialismus chinesischer Prägung" als neue Leitlinie in der Präambel der Staatsverfassung verankert. Kritik an Xi Jinping könnte damit als verfassungswidrig betrachtet werden.

In Maos Fußstapfen

Seit dem Staatsgründer Mao Zedong (Mao Tse-tung ) hatte kein anderer Führer in der Geschichte der Volksrepublik soviel Macht in den Händen wie Xi Jinping. 2.958 Delegierte stimmten für die erste Änderung der Staatsverfassung seit 14 Jahren. Nur zwei votierten dagegen, während sich drei enthielten. Eine Stimme war ungültig. Die Zustimmung war deutlich höher als bei anderen Abstimmungen. In seiner Geschichte hat der Volkskongress noch nie eine Vorlage abgelehnt.

Mit dem Votum schufen die knapp 3.000 Delegierten in der Großen Halle des Volkes auch eine neue nationale Aufsichtskommission, die mit weitreichenden Befugnissen unabhängig von der Justiz die bisherige Kontrolle der Parteimitglieder auf alle Staatsbediensteten ausweitet. "Es wird ein Werkzeug, um die absolute politische Kontrolle abzusichern, indem Feinde verfolgt und potenzielle Gegner eingeschüchtert werden", sagte der China-Experte Gordon Chang.

Kritiker warnen vor soviel Macht in den Händen von Xi, der "Präsident auf Lebenszeit" werden könnte. Umgeben von Ja-Sagern könnte der "starke Mann", der auch Parteichef und Oberkommandierender der Streitkräfte ist, den Bezug zur Realität verlieren. "Der Führer zentralisiert die Macht über Armee, Partei und Regierung – ohne zeitliche Begrenzung", sagte der in Ungnade gefallene, frühere Vize-Chefredakteur des Magazins der Parteihochschule, Deng Yuwen. "Niemand kann diesen großen Führer noch bremsen."

Ende des "kollektiven Führungsmodells"

"Nur noch eine Stimme wird gehört, keine anderen sind erlaubt", sagte Professor Willy Lam von der Hongkong Universität. "Erschreckend." Auch außenpolitisch werde Xi "aggressiver und abenteuerlicher" vorgehen. "Wir stellen schon einen härteren Kurs fest", sagte ein Diplomat. Auch im Umgang mit Taiwan, das Peking als abtrünnige Provinz betrachtet, sei der Ton "schärfer" geworden.

Die zeitlich unbegrenzte Alleinherrschaft Xis beendet das bisherige "kollektive Führungsmodell". Es war 1976 nach dem Tod von Mao Zedong eingeführt worden, um die Wiederkehr eines Diktators zu verhindern. Der "ewige Revolutionär" hatte das Land über verheerende Kampagnen wie den "Großen Sprung nach vorn" mit Millionen von Toten oder die "Kulturrevolution" (1966-76) ins Chaos gestürzt. Danach wurde die Macht verteilt. Amtszeiten wurden begrenzt, Altersgrenzen eingeführt.

Kern war eine Nachfolgeregelung, die innerparteilich einen Wechsel nach zwei Amtszeiten etablierte. Der erste friedliche Machtübergang erfolgte 2002, als sich Jiang Zemin nach zehn Jahren zurückzog und seinem ausgesuchten Nachfolger Hu Jintao Platz machte. Ähnlich räumte dieser das Feld, als 2012 der bis dahin wenig bekannte Xi Jinping nachrückte. Jedes Mal erneuerte, verjüngte sich das System, womit Experten auch seine erstaunliche Widerstandsfähigkeit erklärten.

Populärer Kampf gegen Korruption

Doch damit ist jetzt Schluss: Indem Xi Jinping das Führungsmodell für obsolet erklärt, zieht er für sich auch eine Lehre aus dem Ende der Sowjetunion. Aus seiner Sicht zerbrach die KPdSU an der Schwäche seiner Führer wie Michail Gorbatschow. Zerfallserscheinungen machte Xi Jinping schon unter seinem schwachen Vorgänger Hu Jintao aus. Einzelne Seilschaften erstarkten und bereicherten sich am System.

Die Korruption verärgerte das Volk, so dass Xis Kampf gegen bestechliche Beamte sehr populär wurde. Der Parteichef entledigte sich damit aber auch seiner Gegner, zerschlug Interessengruppen und entmachtete Generäle. Er umging die Regierung, legte alle Macht in die Hände von "Führungsgruppen der Partei" – meist unter seiner Leitung. Wie unter Mao Zedong in den 1960er Jahren heißt es heute wieder: "Osten, Westen, Norden, Süden – die Partei führt alles."

"Der neue Leitspruch beim Regieren des Landes ist das Verschmelzen von Partei und Staat – statt wie unter Deng Xiaoping eine Trennung der beiden", sagte Matthias Stepan vom China-Institut Merics in Berlin. Auch auf unteren Ebenen sollen die Positionen der Parteisekretäre und leitenden Beamten zusammengelegt werden. "Politische Loyalität und Linientreue wären in diesem Fall die Hauptkriterien der Besetzung solcher Positionen", sagte Stepan. "Das Risiko von Fehlentwicklungen würde damit steigen."

Ein Organ zur Sicherung der Macht wird die neue Aufsichtskommission. Unabhängig von Oberstem Gericht oder Generalstaatsanwaltschaft kann die Einrichtung mit lokalen Unterkommissionen gegen Korruption, Dienstvergehen oder allzu lockere Umsetzung politischer Ziele vorgehen. Alle Staatsbediensteten müssen sich unterwerfen – vom Manager des Staatsunternehmens bis hin zum Dorfschullehrer. Die Kommission kann Verfahren einleiten, Verdächtige festnehmen, ermitteln und Strafen aussprechen. Bei kriminellen Vergehen werden die Verdächtigen später auch dem Staatsanwalt übergeben. (APA, AFP, 11.3.2018)