Die Familie des Dokumentarfilmers Yair Lev soll von seinem lange verstorbenen Großvater Ernst Beschinsky erben. Er starb laut Urkunden 1969 in Israel – und 18 Jahre später ein zweites Mal in Innsbruck. Bis auf Sterbedatum und -ort handelt es sich um dieselbe Person.
Lev, selbst Nachkomme von Holocaust-Überlebenden, ahnt nach seinen ersten Recherchen Schlimmes: Der österreichische Beschinsky heiratete sich in eine Nazifamilie ein – obwohl er später Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde wurde. War er ein Nazi, der sich nach dem Krieg hinter einem jüdischen Namen versteckte?
Bald geht es nicht mehr um das kleine Häuschen im kostspieligen Norden Londons, das Beschinsky hinterließ. Lev geht es um historische Gerechtigkeit. Der Dokumentarfilm, den der ORF am Sonntag um 23.05 Uhr im Rahmen seines "Anschluss"-Schwerpunktes ausstrahlte, ist viel zu spannend, um ihn als Aufarbeitung einer Familiengeschichte abzutun. "Ich bin der Detektiv!", sagt Lev seiner sorgenerfüllten Mutter am Telefon, als diese ihm rät, die Polizei zu kontaktieren.
So wird der Film zum Dokukrimi – Levs Ermittlungen reichen von Israel über Kroatien, Tschechien und die Schweiz bis in die USA. Er lässt Dokumente aus Archiven ausheben und sich in österreichischen Wohnzimmern Familienfotos zeigen, wo sich die Spuren der Verdrängungstaktik der Nachkriegszeit in fassungslosen Gesichtern eingraben.
Am Ende schließt sich der Kreis auf dem Tisch eines Wiener Kaffeehauses, wo Lev die Spuren kombiniert. Des Rätsels Lösung: ganz anders als vermutet, aber ebenso spannend. Nachzusehen in der TVthek -Krimi-Spoiler sind schließlich Spielverderberei. (Philip Pramer, 12.3.2018)