Demo in München im Juni 2017 gegen Abschiebungen nach Afghanistan. Die SPD Bayern und Bellevue di Monaco hatten dazu aufgerufen, nachdem es wegen der geplanten Abschiebung eines jungen Afghanen an einer Berufsschule in Nürnberg zu Tumulten gekommen war.

Foto: Alexander Heinl

Viele der über 1000 Postings unter Hans Rauschers Kolumne, in der auch von unserem Hilfsverein Connect Mödling die Rede ist, sind negativ ausgefallen. Man muss den Menschen daher klarmachen (und das habe ich bei den Burschen, die ich im Verlauf meiner Tätigkeit für Connect kennengelernt habe, stets getan), dass wir Ehrenamtliche sehr wohl zwischen jenen unterscheiden, die sich bemühen, in unserer Gesellschaft Fuß zu fassen, und jenen, die untätig ihre Asylverfahren aussitzen oder gar kriminell werden.

Ich habe sehr genau darauf geachtet, welche der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF) in Mödling ich in unsere Kurse hole, und tatsächlich hat sich bei fast allen der Aufwand gelohnt. Viele haben ihren Pflichtschulabschluss gemacht, manche haben danach sogar einen Lehrplatz gefunden. Eine beträchtliche Zahl lernt aber inzwischen an der HTL Mödling in verschiedenen Abteilungen, und nicht so wenige davon gehören zu den jeweils Klassenbesten. Es zeigt sich allerdings, dass nur jene imstande sind, sich voll auf die Schule zu konzentrieren, die zumindest einen vorläufigen Schutz (subsidiär) haben und in der Grundversorgung bleiben konnten.

Bedingungen nicht bewusst

Der Titel "Aufenthaltsberechtigung plus" ist hingegen nur für Flüchtlinge mit Anschluss an österreichische Familien sinnvoll und wirkt sich anderenfalls nachteilig aus. Die Betroffenen müssen die Schule abbrechen, einen Job suchen (und finden, denn es gibt vorher kein Arbeitslosengeld vom AMS), eine Wohnung auftreiben (was oft nicht einmal mithilfe österreichischer Bürgen gelingt, und ohne Geld sowieso nicht) und haben darüber hinaus keinerlei Versicherungsschutz. Damit ist das Abdriften in die (Beschaffungs-) Kriminalität vorprogrammiert.

All diese Randbedingungen sind den meisten Österreichern gar nicht bewusst. Wenn in manchen Postings zu lesen ist, es sei unmöglich, Afghanen zu integrieren, so muss ich dem, zumindest in Bezug auf die (inzwischen ehemaligen) UMF in Mödling, widersprechen. Die meisten Burschen haben sich sehr wohl integriert.

Aber es gibt natürlich auch hier Probleme, vor allem bei jenen, die noch im Asylverfahren stecken. Ich kenne einige Asylwerber, die seit sechs oder mehr Monaten auf das Ergebnis ihrer Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) warten. Nicht wenige befinden sich nicht zuletzt aufgrund dieser Ungewissheit bereits in psychologischer Behandlung.

Wir dürfen nicht vergessen, dass diese jungen Menschen schon in ihrer Kriegsheimat und später oft auch auf der Flucht schwer traumatisiert worden sind. Weitere Traumata sind hinzugekommen: Viele der jungen Burschen leben in ständiger Angst, abgeschoben zu werden. Da darf es nicht überraschen, wenn aus Angst und Frust und im wachsenden Bewusstsein, in unserem Land nicht (mehr) willkommen zu sein, unvermittelt Gewalt entsteht, sei es gegen andere, oft völlig Unbeteiligte oder gegen sich selbst.

Das Argument, dass abgelehnte afghanische Asylwerber (am besten sofort) abgeschoben werden sollten, ist insofern problematisch, als inzwischen bekannt ist, dass eine beträchtliche Anzahl der Entscheide und Urteile auf der Grundlage einer längst nicht mehr aktuellen Sicherheitslage (Oktober 2016) sowie wegen völlig aus der Luft gegriffenen Behauptungen eines einzelnen Gutachters zustande gekommen ist. Man male sich aus, wie viele Menschen hier möglicherweise Fehlurteile zugestellt bekommen haben und inzwischen das Land verlassen mussten.

Dazu kommt vielfach die Verwendung falscher Textbausteine (die sich mitunter nicht einmal auf das gegenständliche Land beziehen), die Beiziehung von zum Teil ungeeigneten Dolmetschern sowie die Tatsache, dass Richter vielfach überfordert sind und die Verfahren daher möglichst rasch abzuwickeln versuchen.

Abgesehen davon wird nicht berücksichtigt, dass Afghanistan von den UN wieder explizit als "Kriegsland" eingestuft wird und schon allein deshalb nicht dorthin abgeschoben werden dürfte. Ich vermisse eine Auseinandersetzung der Medien mit dem Text der Entschließung des EU-Parlaments vom 14. Dezember 2017. Die Entschließung ist seit fast drei Monaten online und straft die beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und beim BVwG gängigen Länderfeststellungen Lügen.

Apropos Straftäter: Aus Österreich werden meist die Falschen nach Afghanistan abgeschoben – also etwa gut integrierte Lehrlinge, Arbeitskräfte in Mangelberufen, Schüler, Schützlinge aus Patenfamilien. Wie kann es dazu kommen, dass der Messerstecher aus Wien, der bereits wegen verschiedener Delikte verurteilt und inhaftiert war und sich überdies dem BFA-Verfahren entzogen hat, nicht gleich nach der Haft abgeschoben wurde und dass stattdessen völlig unbescholtene Afghanen die "Billigtickets" nach Kabul um ca. 15.790 Euro pro Stück bekommen haben?

Wo sehen Behörden hin?

Wenn es stimmt, dass im Vorjahr rund 500 Afghanen zwangsweise aus Österreich ausgeflogen worden sind (wie Afghanistan-Experte Rasuly kürzlich im Profil behauptete), frage ich mich, wo unsere Behörden und Gerichte eigentlich hinsehen und nach welchen Kriterien sie Entscheidungen treffen, die den Staat ja einiges kosten: Stimmt die kolportierte Zahl, so haben die Abschiebungen nach Afghanistan im Vorjahr mit rund 15 Millionen Euro zu Buche geschlagen. Mit diesem Betrag könnten 500 unbescholtene, gut integrierte Afghanen 3,5 Jahre in der Grundversorgung leben und während dieser Zeit für Mangelberufe ausgebildet werden. (Wolfgang Buchebner, 11.3.2018)