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Vorbild Frankreich: Shoah-Mahnmal mit den Namen der Ermordeten in Paris

Foto: Reuters / Platiau

Wien – Die türkis-blaue Bundesregierung nützt das Gedenkjahr 2018 dazu, "ein bleibendes Zeichen des Erinnerns zu setzen. Das Gedenken an verstorbene Menschen nimmt hier einen besonderen Stellenwert ein. Obwohl gerade im Judentum ein Gedenkort für die Verstorbenen von großer Bedeutung ist, existiert jedoch bisher für die Nachfahren der in der Shoah ermordeten jüdischen Österreicherinnen und Österreicher kein Ort der individuellen, namentlichen Erinnerung an die Opfer", heißt es in einem Ministerratsvortrag von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der diese Woche beschlossen werden soll.

Gestalten soll das Mahnmal der 1930 in Wien geborene Kurt Yakov Tutter, ein kanadisch-österreichischer Künstler, der nach dem "Anschluss" aus der damaligen Ostmark fliehen konnte – seine Eltern wurden vom Nazi-Regime deportiert und ermordet. Tutter hatte schon vor 20 Jahren beklagt, dass das inzwischen auf dem Judenplatz in der Wiener Innenstadt errichtete Mahnmal unzureichend sei, weil es nicht die Namen der rund 66.000 ermordeten österreichischen Juden nennt.

Tutters Vorschlag sieht zwei Meter hohe Gedenkmauern aus poliertem Granit vor. Fünf Mauern mit einer Länge von je 65 Meter Länge könnten bei einer Schrifthöhe von zwei Zentimetern die Namen aller Opfer aufnehmen, rechnete Tutter im Jahr 2002 dem Standard vor.

Vorbild in Paris und Brüssel

Internationale Vorbilder für eine Namensgedenkmauer existieren etwa in Form der 2005 eröffneten Shoah-Gedenkstätte in Paris, des Nationaldenkmals für die jüdischen Märtyrer Belgiens in Brüssel oder eines in Amsterdam geplanten niederländischen Holocaust-Memorials. Die Bundesregierung greift den alten Vorschlag nun auf. Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) sieht im Gedenken "eine ständige Verpflichtung" und erklärte: "Die Errichtung einer Namensgedenkmauer soll zeigen, das wir die Opfer der Shoah in bleibender Erinnerung behalten. Niemals dürfen wir vergessen, was diesen Menschen angetan wurde."

Bundeskanzler Kurz erinnert daran, dass "zahlreiche Österreicherinnen und Österreicher sich zu Handlangern eines Unrechtssystems, dem rund 66.000 österreichische Jüdinnen und Juden zum Opfer fallen sollten und das mehr als 130.000 aus ihrer Heimat vertrieb", gemacht haben.

Der von vielen damaligen Bewohnern begrüßte "Anschluss" an das von Nazis regierte Deutschland jährt sich heute zum 80. Mal. Auch die katholischen Bischöfe haben aus diesem Anlass ein christliches Versagen eingeräumt: Die damaligen Bischöfe hätten – wie auch Politiker, Künstler und Wissenschafter – nach der Besetzung Österreichs die katastrophalen und menschenverachtenden Konsequenzen "nicht deutlich genug erkannt oder benannt".

Ein "jahrhundertelang religiös verbrämter Antijudaismus" habe zur Folge gehabt, "dass Christen insgesamt einem national und rassisch begründeten Antisemitismus nicht entschieden genug widerstanden" haben. (cs; APA, 12.3.2018)