Bild nicht mehr verfügbar.

Intel fürchtet um seine Zukunft.

Foto: Nicky Loh / AP

Seit Jahrzehnten steht Intel an der Spitze der Chipbranche. Eine Vormachtsstellung, die aber zuletzt immer mehr stärker unter Druck gekommen ist. Vor allem der Umstand, dass man im mobilen Bereich praktisch keine Rolle spielt, setzt dem US-amerikanischen Unternehmen immer stärker zu. Und dabei scheint man nun zunehmend gewillt zu sein, viel Geld in die Hand zu nehmen, um die Situation wieder zu drehen.

Angebot

Laut einem aktuellen Bericht des Wall Street Journals gebe es bei Intel ernsthafte Überlegungen, den Konkurrenten Broadcom zu übernehmen. Besonders brisant wird die Angelegenheit dadurch, dass Broadcom selbst gerade versucht, sich Qualcomm einzuverleiben – wogegen sich Qualcomm wiederum wehrt. Dadurch entsteht eine äußerst komplexe Situation, die in einer Analyse bei Techcrunch als "multidimensionales Schach" bezeichnet wird. Und zwar durchaus zurecht, wie ein Blick auf die vielfältigen Details rund um den Deal ergibt.

Zunächst wäre da der Fakt, dass sich Qualcomm seit Monaten mit ganzer Kraft gegen eine feindliche Übernahme durch Broadcom wehrt. Dabei schreckt man auch nicht mehr vor harten Bandagen zurück: So soll es Qualcomm gewesen sein, das Broadcom die US-Regulatoren auf den Hals gehetzt hat, um den Deal auf dieser Ebene zu verhindern. Die Argumentation: Die Übernahme eines US-Chipherstellers durch einen Konkurrenten aus Singapur sei eine Gefahr für die nationale Sicherheit der USA.

Hohes Gebot

Damit gesteht man indirekt allerdings auch ein, dass es für den Qualcomm-Vorstand immer schwerer wird, die Broadcom-Offerte abzulehnen. Und das ist durchaus nachvollziehbar: Liegt das aktuelle Angebot doch mittlerweile stolze 50 Prozent über dem ursprünglichen Aktienkurs von Qualcomm. Damit wird natürlich der Druck von Seiten der Aktionäre zunehmend höher, die mit so einem Deal ordentlich abkassieren könnten.

Dass Qualcomms Plan, den Deal über die Regulatoren zu blockieren, aufgeht, ist dabei allerdings längst nicht gesagt. Immerhin reagierte Broadcom postwendend auf die regulatorischen Bedenken mit dem Versprechen, seinen Firmensitz wieder in die USA zu verlegen. Zur Vorgeschichte: Das einstige US-Unternehmen Broadcom war vor einigen Jahren von der in Singapur ansässigen Firma Avago übernommen worden, die sich danach den bekannteren Namen verpasst hat.

Intel hat viel zu verlieren

Doch das Broadcom-Angebot macht eben nicht nur Qualcomm unruhig: Die Kombination der beiden Firmen könnte nämlich auch Intel gleich auf mehreren Ebenen in Schwierigkeiten bringen. Da wäre zunächst das Offensichtliche: Aus einer Übernahme würde ein Konzern mit einem Marktwert von mehr als 200 Milliarden US-Dollar entstehen – also ein Konkurrent der fast so groß wie Intel selbst wäre. Vor allem aber einer, der eine beeindruckende Macht im mobilen Bereich hat: Während Broadcom unter anderem die WLAN- und Bluetooth-Chips fast aller Smartphones liefert, hat Qualcomm bei mobilen Prozessoren 42 Prozent Marktanteil – und liegt damit ganz klar an der Spitze.

5G

Es geht aber noch um einen weiteren Bereich: Qualcomm gehört gemeinsam mit dem chinesischen Smartphone-Hersteller Huawei derzeit zu den führenden Entwicklern von 5G-Technologien, also der nächsten Generation an Mobilfunknetzen. Für das Folgende muss man wiederum wissen, dass Qualcomm gerade selbst versucht, die Übernahme des Konkurrenten NXP Semiconductors um 44 Milliarden US-Dollar abzuschließen – und diese nicht zuletzt am Wohlwollen der chinesischen Regulatoren hängt. Dabei wurde zuletzt auch ein Verkauf der 5G-Sparte von Qualcomm an Huawei ins Spiel gebracht, was wiederum eine Art Worst-Case für Intel wäre. Immerhin sehe sich das US-Unternehmen, das selbst auf das einträgliche 5G-Geschäft hofft, einem deutlich überlegenen Konkurrenten mit sehr tiefen Taschen gegenüber.

Apple

Und dann wäre da noch das Verhältnis mit Apple: Derzeit befindet sich der iPhone-Hersteller in einem erbitterten Patentstreit mit Qualcomm, nach einer Broadcom-Übernahme ist davon auszugehen, dass dieser bald beendet würde. Immerhin liefert Broadcom schon jetzt einige Chips für das iPhone und würde dieses sehr einträgliche Geschäft sicher gerne noch weiter ausbauen. Damit könnte man dann ein Paket aus Modem, Prozessor und anderen Chips schnüren, mit denen Intel nicht mithalten könnte. Bisher liefert Intel einen Teil der Mobilfunkkomponenten für das iPhone, nach einem Broadcom/Qualcomm-Deal stehen die Chancen gut, dass diese Einnahmequelle komplett versiegen würde.

Ernsthafte Absichten

Bei all dem bleibt trotzdem die Frage, wie ernst ein solches Angebot von Intel für Broadcom eigentlich überhaupt gemeint wäre, immerhin wäre dies ein Deal mit einem Volumen von mehr als 200 Milliarden US-Dollar – fast das zehnfache von Intels bisher größter Übernahme. Insofern könnte es Intel auch schlicht darum gehen, die Übernahme von Qualcomm zu stören. Immerhin wird das gesamte Übernahmekarussell dadurch so komplex, dass es zwischen all den regulatorischen Bedenken und Überlegungen zur nationalen Sicherheit immer unwahrscheinlicher wird, dass aus den diversen Deals etwas wird. (apo, 12.3.2018)