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In einem Supermarkt in Johannesburg werden Produkte von Tiger Brands aus den Regalen entfernt.

Foto: Reuters / Siphiwe Sibeko

Wendy Ragedi ist verärgert. Sie hat gerade die Vorräte an Wurstwaren aus ihrer Kühltruhe in eine Tüte gepackt und an der Kasse im nahen Supermarkt gegen Bargeld umgetauscht. "Das haben wir immer gegessen, mein Enkelkind nahm jeden Tag Würstel mit zur Kindergruppe und ich ein Sandwich mit Wurst zur Arbeit. Jetzt ist das Fleisch verdorben, das ist ein Skandal. Wer weiß, was noch alles ungenießbar ist", sagt die 49-Jährige verunsichert. In ihrem schwarzen Wohnviertel in Cosmo City nördlich von Johannesburg seien alle Menschen besorgt, sagt sie.

Auch im ganzen Land fürchten die Menschen um ihre Gesundheit: Der laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) bisher größte Ausbruch der Infektionskrankheit Listeriose überhaupt hat in den vergangenen Monaten etwa 180 Menschenleben gefordert. Erst jetzt sind die Behörden den Ursachen auf die Spur gekommen: "Viennas" und "Frankfurters", wie die Würstel in Südafrika genannt werden, sowie Wurst tragen die gefährlichen Bakterien in sich. Die in Plastik eingeschweißten Produkte sind beliebt bei den weniger wohlhabenden Käufern. Auf Schulbroten, an den vielen Kiosken in den Townships, aber auch in anderen Haushalten gibt es täglich Wurst.

In einer Fabrik der Firma Tiger Brands in Pholokwane, Hauptstadt der Provinz Limpopo, sind Bakterien entdeckt worden, auf die der Listeriose-Ausbruch laut Gesundheitsministerium zurückzuführen ist. Das Unternehmen hat bereits alle im Verdacht stehenden Produkte der Marke Enterprise zurückgerufen, aber bisher die Verantwortung für die Todesfälle zurückgewiesen. Auch vor den Fabriktoren von Tiger Brands standen in dieser Woche viele Menschen, um die bereits erworbenen Wurstwaren der Firma gegen Geldrückgabe abzuliefern.

Weitere Bakterien gefunden

Die Äußerungen des Firmenchefs Lawrence MacDougall steigerten die Wut bei den Käufern: Er erklärte im öffentlichen Fernsehen, seine Firma habe weitaus mehr als die im Verdacht stehenden Produkte zurückgerufen und zwei weitere Firmen vorübergehend geschlossen. Denn auch in einer anderen Fabrik von Tiger Brands sowie in einer Produktionsanlage der Firma Rainbow Chicken wurden Listeria-Bakterien festgestellt – allerdings von einem anderen Erregerstamm.

Noch ist unklar, ob sie für die Krankheits- und Todesfälle gesorgt haben. "Ein direkter Zusammenhang zwischen den Todesfällen und dem Ausbruch steht noch nicht fest. Ich kann mich nicht für etwas entschuldigen, was noch nicht sicher ist", so MacDougall.

Listeriose ist eine vorwiegend über verseuchte Lebensmittel verbreitete Infektionskrankheit. Die ursächlichen Bakterien, sogenannte Listerien, kommen in der Natur häufig vor. Für gesunde Erwachsene ist die Infektion meist harmlos, aber in der Schwangerschaft, bei einer Abwehrschwäche oder einem schwachen Immunsystem kann sie sich schwerwiegend auswirken. In Südafrika sind 980 Menschen erkrankt. Es ist mit weiteren Erkrankungen zu rechnen: Die Inkubationszeit dauert drei bis vier Wochen.

Lange Untersuchungen

Das südafrikanische Institut für ansteckende Krankheiten (NICD) erklärte, dass die jüngsten Listeriose-Erkrankungen mit Sicherheit auf die Firma Tiger Brands zurückzuführen seien. Juno Thomas, Chefärztin des Institutes, gibt zu, dass die Untersuchungen lange gedauert haben, denn die ersten Krankheitsfälle gab es bereits im Juli 2017. "Der Durchbruch kam, als in einem Kindergarten in Soweto neun Kinder erkrankt sind", so Thomas. Sie mussten mit Durchfall, Erbrechen und hohem Fieber ins Spital eingeliefert werden. Das war im Jänner dieses Jahres. Alle Kinder hatten Wurst der Marke Enterprise gegessen. Erst jetzt im März konnte der Verdacht bestätigt werden.

Die Nachbarstaaten stoppten die Einfuhr der Fleischprodukte, die von vielen südafrikanischen Firmen geliefert werden. In Südafrika mehren sich die Vorwürfe nicht nur von wütenden Verbrauchern: Die Opposition und der Gewerkschaftsbund Cosatu werfen dem Gesundheitsministerium zu wenig Entschlossenheit vor. (Martina Schwikowski aus Johannesburg, 13.3.2018)