Die österreichische Band Bilderbuch hat im Herkunftsland eine große Fanbasis. Digitale Empfehlungen sollen darauf Rücksicht nehmen.

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Linz – Welche Musik höre ich mir als Nächstes an? In Zeiten von Clouddiensten wie Spotify & Co, die in Sekundenbruchteilen auf zig Millionen Musikstücke zugreifen und diese aufs Handy liefern, wird auch die Qual der Wahl an die Algorithmen delegiert. Soll sich doch der Computer die Frage stellen: Welche Musik möchte mein Nutzer als Nächstes hören?

Den Systemen muss natürlich erst beigebracht werden, diese Frage zufriedenstellend zu beantworten. Doch die musikalischen Vorlieben eines Menschen sind veränderlich, heterogen und von vielerlei Kontexten – vom Wohnort bis zur Tageszeit – abhängig. Bis dato überraschen die Empfehlungssysteme noch regelmäßig mit Musikstücken, die im Hier und Jetzt so gar nicht passen.

"Mir wird beispielsweise bei der Nutzung eines bekannten Streamingdienstes sehr oft rumänische Popmusik vorgeschlagen, und ich habe keine Ahnung, warum", illustriert Christine Bauer vom Institut für Computerwahrnehmung der Johannes-Kepler-Universität Linz (JKU) die Irrwege der Empfehlungssysteme. "Bei meinem kulturellen Hintergrund wäre es doch viel wahrscheinlicher, dass mir österreichische Musik gefällt, nicht rumänische."

Geschmackssicherheit für die Empfehlungssysteme

Bauer tritt mit ihrem Kollegen Markus Schedl in ihrem vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützten Projekt an, die Empfehlungssysteme geschmackssicherer zu machen. Ihr Anspruch: Der Computer solle im Rahmen eines "Fine-grained Culture-aware Music Recommender Systems" kulturelle Aspekte der Nutzer besser berücksichtigen lernen.

Grundsätzlich basieren bestehende Systeme meist auf Kombinationen von zwei Arten von Technologien, erklärt Bauer. Auf der einen Seite filtern sie nach inhaltlichen Kriterien – etwa der Zugehörigkeit zum selben Genre. Auf der anderen Seiten empfehlen sie nach dem Prinzip "Andere Kunden kauften auch ..." Musikstücke, die jene Nutzer mit einem ähnlichen Verhalten hören.

Am besten können die Empfehlungssysteme mit Musikhörern umgehen, deren Geschmack sich möglichst nah an einem internationalen Mainstream orientiert. Für Hörer der US-Sängerin Beyoncé finden sich viele Counterparts, aus denen man Empfehlungen ableiten kann, gibt Bauer ein Beispiel. Das System trägt damit aber auch dazu bei, dass Musik ohne viele Clicks außen vor bleibt und Nutzer in einer "Mainstream-Bubble" verweilen. Ohnehin populäre Musiker werden damit noch erfolgreicher.

Mainstream oder nicht?

Bei einem heterogenen Musikgeschmack abseits der "Top-of-the-tops" ist die Trefferquote entsprechend niedriger. Ein Ansatz dabei, der sich in zukünftigen Systemen niederschlagen könnte, ist, den Grad der "Mainstreamyness" der Nutzer zu bestimmen und entsprechend in weitere Empfehlungen einfließen zu lassen, erklärt die Computerwissenschafterin.

Ein erster, noch vergleichsweise einfacher Schritt einer Berücksichtigung der kulturellen Diversität ist für Bauer die Etablierung eines nationalen Mainstreams, der lokale Charts und Aspekte wie Marktstrukturen miteinbezieht, um die Gewichtung entsprechend zu verändern. "Wir berücksichtigen, dass österreichische Bands wie Wanda oder Bilderbuch in ihrem Herkunftsland von viel mehr Nutzern gehört werden als beispielsweise in Japan", fasst Bauer zusammen. Basis der Entwicklungsarbeit der Forscher sind umfangreiche, anonymisierte Daten, die über ein Jahrzehnt vom Onlinemusikdienst LastFM gesammelt wurden und über eine Milliarde "Listening events", also Nutzerhörerlebnisse, darstellen.

Weitere Aspekte

Natürlich ist die Landeszugehörigkeit ein eher grobes Instrument für eine kulturelle Annäherung an den individuellen Nutzer. Um die "Granularität" zu verfeinern, versuchen die Forscher, weitere Aspekte zu berücksichtigen. "Wir analysieren, ob wir bessere Vorhersagen treffen können, wenn wir städtische und ländliche Umgebungen vergleichen", gibt Bauer ein Beispiel. Zudem könnten Einflüsse weiterer Länder, die durch Aufenthalte und Reisen entstanden sind, Eingang finden.

Wie bei jeder Art der Personalisierung digitaler Dienste gilt auch hier: Je mehr persönliche Daten man über sich preisgibt, desto berechenbarer wird der Nutzer. Ein Forschungsansatz in dem Bereich geht sogar so weit, die Musikempfehlungen anhand von Persönlichkeitsattributen wie Offenheit, Neurotizismus oder Extraversion zu verbessern, veranschaulicht Bauer. (Alois Pumhösel, 17.3.2018)