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2008 erhielt Uwe Tellkamp in Frankfurt den Deutschen Buchpreis. Nun sorgte er in Dresden für Aufruhr.

Foto: Dietrich Flechtner / dpa / Picturedesk.com

Jede Buchmesse spiegelt auf ihre Art die gesamte Branche wider. Es gibt am Buchmarkt Genres, die mit jeder Publikation von Neuem und weiter befüllt werden. Immer ähnlich und doch irgendwie hoffentlich neu und verschieden ist auch das Programm einer Buchmesse: Wie geht's der Branche? Was sind die Trends? Wie verhält man sich zur Welt ringsherum?

Seit einigen Jahren schon wird man dabei das Thema des sogenannten rechten Rands der Gesellschaft nicht mehr los. Auch nicht beim Mittwoch Abend eröffnenden, bis Sonntag laufenden Leipziger Branchen- und Lesertreff.

Düstere Freiheit

Die Türkei und die dort inhaftierten Journalisten und Autoren werden zwar wie bereits zuletzt und wie auch bei der Schwester in Frankfurt im Herbst Thema sein. Denn je düsterer es für die Freiheit in manchen Teilen der Welt aussieht, desto mehr rückt man sie andernorts ins Rampenlicht.

Es soll aber auch Europa in den Blick genommen werden. Man könnte mutmaßen, es ginge dabei um ein Europa, dessen Bevölkerung sich zum Teil gerade mit der Wahl rechter Parteien vom vermeintlich Fremden und Anderen befreien will und sich mit von denselben Parteien geforderten Überwachungsmaßnahmen zugleich selbst Freiheit nimmt.

Europas Hochmut im Blick

Doch Buchmessendirektor Oliver Zille meint es nicht (nur) so. In Europa herrsche das Gefühl, "wir sind die Besten, wir wissen, wie es geht", erklärte er im Vorfeld. Das will er hinterfragen. Zur Freiheit gehört schließlich auch, die Freiheiten des anderen – soweit im Rahmen der geltenden Gesetze – zu gewährleisten.

Wie gerufen kommen dafür zwei Beispiele, die die Diskussionen um die Präsenz rechtsideologischer Verlage vergangene Woche neu anfachten. Eines hat Zille mitverursacht: Die rechtsgerichtete Wochenzeitung "Junge Freiheit" sagte ihre Teilnahme an der Messe kurzfristig ab. Durch eine "einseitige und ungünstige Standplatzierung" in einem "rechtsextremen Block" sah sie sich in ein Eck gestellt, das "absolut rufschädigend" sei. Die Initiative #verlagegegenrechts wertete den Ausstieg des Blattes naturgemäß als Sieg.

Aussperren bringt wohl wenig

Doch darf man darüber geteilter Meinung sein. Zuletzt versuchte die Messe in Frankfurt, solche Stände in der Nachbarschaft religiös grundierter Verlage unterzubringen. Das dürfte für jene nicht angenehm sein. Rechte Verlage auszusperren bringt wohl jedoch auch wenig. Sie können sich nur umso mehr als Opfer gerieren, und liberales Publikum sollte sich von ihnen ohnehin nicht umkehren lassen.

Für mehr Resonanz sorgten aber Äußerungen des aus Dresden stammenden Autors Uwe Tellkamp, der Anfang März bei einer Diskussion ebendort über Geflüchtete feststellte: "Die meisten fliehen nicht vor Krieg und Verfolgung, sondern kommen her, um in die Sozialsysteme einzuwandern, über 95 Prozent."

Suhrkamp, wo sein 2008 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneter Roman "Der Turm" erschienen ist, distanzierte sich per Twitter von der Aussage: Die Haltung von Autoren sei nicht mit der des Hauses zu verwechseln.

Dieses Statement befremdete viele, denn ein Autor sei nicht der Meinung seines Verlags verpflichtet. Suhrkamp aber missionarischen Übereifer oder das Opfern von Meinungsvielfalt vorzuwerfen geht zu weit. So es weder Imagekampagne noch vorauseilender Gehorsam war: Falls für das Haus eine rote Linie übertreten worden ist oder an einem Pfeiler seines Selbstverständnisses gerüttelt wurde, sollte eine solche Reaktion legitim sein. Verboten hat Suhrkamp ja nichts.

In jedem Fall spiegelt sich darin die Debatte um rechte Verlage wider: Was darf gesagt werden? Und welche Reaktionen sind angemessen? Das wird in den kommenden Tagen wohl noch Thema sein.

Rumänien für unseren Markt

Neben anderem. Etwa dem Gastland Rumänien, das hierzulande am Markt abseits weniger Namen wie Mircea Cartarescu kaum präsent ist. 40 Neuübersetzungen, das Vielfache eines normalen Jahrgangs, werden vorgestellt. Aus Österreich nehmen 183 Aussteller teil, im Rennen um die am Donnerstag vergebenen Preise der Leipziger Buchmesse steht hingegen kein heimischer Autor.

Der Preis ist im Idealfall ein Verkaufs-Boost. Den kann der Buchmarkt – eh Dauerthema – laut einer aktuellen Studie gut brauchen. Sechs Millionen Kunden sollen ihm in Deutschland zwischen 2012 und 2016 abhandengekommen sein. Die Tragweite der Entwicklung vertuscht derzeit, dass die übrigen Käufer mehr und teurere Bücher erwerben. Doch auch die Zahl derer, die mindestens einmal pro Woche lesen, ist von 49 auf 42 Prozent gefallen. Bitter: Am meisten betrifft das Kunden unter 60 Jahren. Und zunehmend höher gebildete Schichten.

Neben Streamingdiensten werden auch soziale Netzwerke als Ursachen vermutet, eine genaue Untersuchung dazu will der Börsenverein des deutschen Buchhandels im Juni vorlegen. Man wird sehen, was sich die Branche in Leipzig dagegen einfallen lässt. (Michael Wurmitzer, 14.3.2018)