Bevor es in Berlin losgeht mit ihrer vierten Koalition, stärkt sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel noch einmal.

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Die Frage lag angesichts des gebotenen Szenarios auf der Hand. "Sind das eigentlich Ihre Traumpartner?", wurde die deutsche Kanzlerin Angela Merkel am Montag, kurz vor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages, gefragt. Neben ihr saßen CSU-Chef Horst Seehofer, der das sichtlich müde Haupt gelegentlich stützte, und der eher steife, kommissarische SPD-Vorsitzende Olaf Scholz.

Merkel schaute kurz so drein, als müsse sie demnächst Donald Trump in ihrem brandenburgischen Wochenendhaus mit selbstgekochter Kartoffelsuppe bewirten, und sagte dann: "Sind gute Partner jetzt für die Arbeit." Dann fügte sie hinzu: "Ich kann aber auch freundlich gucken. Das fällt mir nicht schwer."

Hernach tat sie es, aber nicht sehr lange. Man kann es natürlich ein wenig verstehen. Fast sechs Monate lang, seit dem 24. September 2017, hat sich Merkel um eine Regierung bemühen müssen. Es gab lange Verhandlungen und viele Enttäuschungen – vor allem als das geplante Jamaika-Bündnis aus Union, FDP und Grünen noch in der Findungsphase platzte. Und dennoch: Aufbruch sieht irgendwie anders aus.

Merkel ist 2005 ins Kanzleramt eingezogen, sie geht nun in ihre vierte Amtszeit. Und diesmal ist einiges anders: Niemand mehr in Berlin wettet noch darauf, dass Merkel danach noch eine weitere Legislaturperiode anhängen kann. Es beginnt jetzt vielmehr der lange Abschied von der Macht.

Überleben als Volkspartei

Man erinnert sich an für Merkel komfortablere Zeiten. In der letzten großen Koalition (von 2013 an) waren die Sozialdemokraten vergleichsweise pflegeleicht gewesen. Doch mittlerweile sind Wahlergebnisse und Umfragewerte so schlecht, dass sie ums Überleben als "Volkspartei" kämpfen.

"Auffallend ist, dass alle Koalitionspartner sich auch außerhalb der Regierung stark aufstellen. Sie werden versuchen, ihren Parteien Gesicht und Profil zu geben", sagt Thorsten Faas, Politologe an der Freien Universität Berlin. Die SPD hat erkannt, dass sie innerhalb der Regierung nicht gewinnt. Auch wenn sie noch so viele Projekte umsetzt, sie hat den Stempel "ewige Juniorpartnerin" drauf.

Daher kommt Andrea Nahles (SPD) eine entscheidende Rolle zu. Fraktionschefin ist sie schon seit Herbst, im April übernimmt sie auch noch das Amt als Parteivorsitzende. Sie wird das Machtzentrum außerhalb der Koalition sein und auch so formulieren, wie es sich jemand, der in die Kabinettsdisziplin eingebunden ist, vielleicht nicht traut. Man muss ja immer schon an die nächste Bundestagswahl denken, und da könnte Nahles dann als SPD-Spitzenkandidatin, die nicht aus dem Kabinett kommt, punkten.

Doch auch in der CDU verlässt sich Merkel nicht alleine auf die Strahlkraft der Minister. Sie hat die frühere saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zur Generalsekretärin gemacht. Das war zwar ein geschickter Schachzug und ein Signal für Erneuerung. Doch man weiß, dass Merkel es tat, weil sie mittlerweile getrieben ist und die Zügel eben nicht mehr so fest in der Hand hat.

Masterplan für Abschiebung

"Ich sehe nicht, was wir anders machen sollten", hat Merkel am Tag nach der Bundestagswahl gesagt, nachdem die Union 8,6 Punkte verloren hatte und bei 32,9 Prozent gelandet war. Das Murren wurde daraufhin immer lauter. Und CSU-Chef Horst Seehofer weiß sehr gut, was er sieben Monate vor der bayerischen Landtagswahl anders machen will.

Er wird als neuer Bundesinnenminister rasch einen "Masterplan für schnellere Asylverfahren und konsequentere Abschiebungen" vorlegen und gegenüber Straftätern und Gefährdern "härter durchgreifen". Sein Ziel: die AfD aus dem bayerischen Landtag zu halten.

Apropos AfD: In den vergangenen Jahren hat die Opposition die große Koalition nicht gerade wild getrieben. Es gab im Bundestag nur Grüne und Linke. Nun aber sind FDP und – als größte Fraktion – die AfD dazugekommen. Deren Chef, Alexander Gauland, will Merkel ja "jagen" und erklärt: "Nur unsere Wahlerfolge garantieren überhaupt, dass diese Bundesregierung sich, wenn auch in Millimeterschritten, mal in eine richtige Richtung bewegt."

Und dann muss Merkel ja auch noch ins Ausland. Als geschäftsführende Kanzlerin hat sie sich zurückgehalten. Europa aber wartet, dass sich Berlin in puncto EU-Reform positioniert. Noch vor dem Gipfel will sie nächste Woche zum französischen Präsidenten Emmanuel Macron und sagt: "Da wird sich einiges klären, was wir uns als nächste Etappe vorstellen können." (Birgit Baumann aus Berlin, 14.3.2018)