106 Dezibel schaffen die Südkoreaner. Zumindest zeigt das der große Würfel über der Eisfläche an. Das Publikum legt sich ins Zeug, die Moderatorin ruft auf, noch einmal alles zu geben. Gekreische, dazu K-Pop. Überall werden südkoreanische Flaggen geschwenkt und Herzen mit Armen über den Köpfen geformt. Es hört sich an, als hätte man sich einen Bienenstock auf den Kopf gesetzt. Das Spiel im Gangneung Hockey Center ist das Highlight der Vorrunde im Slegde-Eishockey. Die Mannschaft der Gastgeber trifft auf Turnierfavorit USA.

Bild nicht mehr verfügbar.

Slegde Hockey wird mit zwei Sticks gespielt.
Foto: Reuters/Handout

Sledge-Eishockey ist ein Spektakel. Und was für eines. Das Sledge in Sledge-Eishockey ist der Schlitten, auf dem alle Spieler sitzen. Das Eishockey ist Eishockey, mit all seiner Dynamik, seinem Tempo und Körpereinsatz. Die offizielle Bezeichnung ist Para-Eishockey. Entscheidend für einen Sledge-Hockey-Spieler ist eine Beeinträchtigung unterhalb der Hüfte. Manche Spieler haben zwei Beine, manche eines, und nicht selten schwingen Spieler ohne Beine über das Eis. Über dem Rumpf spielt sich dafür einiges ab: Es ist ein Gezerre, Gedrücke und immer wieder kräftige Armbewegungen, um sich mit dem Schlitten vorwärts oder in schnittigen Kurven übers Eis zu schlängeln.

Die Spieler halten zwei kurze Schläger, nutzen sie zum Schießen und um sich abzustoßen. Ein Gurt fixiert den Oberkörper mit dem Schlitten. Das Regelwerk ist quasi dasselbe wie im Eishockey, einzig mit der Vorderseite des Schlittens darf kein Gegenspieler attackiert werden.

Checks und Technik

Es geht wild zu auf der Eisfläche in Gangneung. Das erste Drittel geht deutlich mit 6:0 an die Favoriten, im zweiten fallen keine Treffer. Das Team USA hatte in den ersten beiden Spielen Japan und die Tschechische Republik jeweils mit 10:0 vom Eis geschossen. "Wenn wir unser Spiel spielen, holen wir auch Gold", sagt Stürmer Joshua Misiewicz. Der US-Amerikaner ist wie einige seiner Teamkollegen ein ehemaliger Soldat. Misiewicz mussten nach einer Explosion auf einer Patrouille in Afghanistan beide Beine oberhalb der Knie amputiert werden. Schon vor seiner Zeit bei den US-Marines war der 29-Jährige begeisterter Eishockeyspieler.

Deloitte US

Im dritten Abschnitt setzen sich die US-Amerikaner wieder im Angriffsdrittel fest. Bei den wenigen Gegenstößen der Südkoreaner wird es laut. Stürmer Yong Min Lee verschießt, ein wilder Check lässt ihn auf dem Boden zurück. Auf der Gegenseite zeigen die US-Amerikaner ihre Technik: Declan Farmer zieht mit zwei, drei kräftigen Stößen an der Bande entlang und legt sich den Puck elegant unter dem Schlitten vom einen Schläger auf den anderen.

Abschirmen und Wenden

"Alles hat seine Vorteile", sagt Misiewicz, der es auf zwei Treffer brachte, nach dem Spiel: "Die ohne Beine sind wendiger, die mit nur einem Bein können besser abschirmen und haben einen härteren Schuss. Man muss sich auf seine Beeinträchtigung einstellen." Das Team USA gewinnt mit 8:0. Die Spieler klopfen mit den Schlägern dreimal aufs Eis. Die Südkoreaner werfen Stofftiere. Es wird noch einmal laut.

Joshua Misiewicz kurvt gekonnt um das Tor der Südkoreaner. Im letzten Gruppenspiel traf er doppelt.
Foto: APA/AFP/OIS/IOC/BOB MARTIN

Para-Eishockey ist eine der populärsten Sportarten bei den Paralympics. Österreichisches Team gibt es aktuell keines. ÖPC-Präsidentin Maria Rauch-Kallat und Generalsekretärin Petra Huber finden das schade: "Es ist ein toller Sport, wir hätten gerne ein Team", sagt Rauch-Kallat. Vor einigen Jahren wurde unter "Anders ist normal" ein Versuch gestartet, Sledge-Hockey im österreichischen Behindertensport zu etablieren. Initiator war der ehemalige Eishockey-Profi Harald Lange. "Das ging dann eine gewisse Zeit gut, dann nicht mehr", erinnert sich Rauch-Kallat. Mittlerweile spüre sie aber auch seitens des Eishockey-Verbandes "eine gewisse Bereitschaft, wieder etwas zu initiieren". Denn anders ist an diesem Sport nichts, das Spektakel sogar normal. (Andreas Hagenauer, 13.3.2018)