Tokio – 23 Jahre nach einem tödlichen Giftgasanschlag einer japanischen Endzeitsekte auf Tokios U-Bahn gibt es Anzeichen für bevorstehende Hinrichtungen der Täter. Das Justizministerium in Tokio begann am Mittwoch damit, sieben von 13 wegen des Anschlags sowie anderer Morde zum Tode Verurteilten aus ihrer Haftanstalt in Tokio in andere Gefängnisse zu verlegen.

Dies deute darauf hin, dass ihre Exekution durch den Strang damit näher rückt. Das berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo am Mittwoch unter Berufung auf informierte Kreise. Japan, die drittgrößte Wirtschaftsnation der Welt, gehört zu den wenigen Industrieländern, die an der Todesstrafe festhalten.

Endzeitsekte

Menschenrechtler prangern seit Jahren den Umgang mit Hinrichtungen sowie die Haftbedingungen in Japan an. Als besonders grausam kritisieren auch ausländische Regierungen, dass den Todeskandidaten in Japan der Zeitpunkt ihrer Hinrichtung erst unmittelbar zuvor mitgeteilt wird.

Zu den 13 Todeskandidaten gehört der Drahtzieher und Gründer der Endzeitsekte, Shoko Asahara. Am 20. März 1995 hatten Mitglieder seiner Sekte unter dem Regierungsviertel der japanischen Hauptstadt in mehreren Zügen Plastiksackerl mit Sarin verteilt, aufgestochen und so das Nervengas freigesetzt. 13 Menschen starben, mehr als 6.000 wurden verletzt. Im Jänner dieses Jahres wurde das letzte Gerichtsverfahren gegen Mitglieder der Sekte abgeschlossen.

Kein Aufschub

Am Dienstag beantragte zwar einer der Todeskandidaten, der 48 Jahre alte Yoshihiro Inoue, eine Neuverhandlung seines Falls. Doch das dürfte an seinem Schicksal nichts ändern. Lange Zeit war es in Japan zwar üblich, Todeskandidaten nicht während ihres Antrags auf Neuverhandlung zu exekutieren. Doch Justizminister Katsutoshi Kaneda machte deutlich, dass solche Einlassungen keinen Aufschub bedeuten.

Für Exekutionen hat Japan sieben Standorte: in den Städten Sapporo, Sendai, Tokio, Nagoya, Osaka, Hiroshima und Fukuoka. Wohin die sieben zum Tode Verurteilten verlegt werden, sei zwar unklar, hieß es. Allerdings berichteten Reporter am Dienstag vor den Gefängnissen in Sendai und Nagoya über die Ankunft von Bussen mit Todeskandidaten. Sektengründer Asahara soll demnach weiter im Gefängnis in Tokio sein.

Trauma

Der inzwischen 63-jährige Asahara hatte das spirituelle Vakuum genutzt, das nach den wirtschaftlichen Boom-Jahren in Japan entstanden war und die junge Generation zu neuen Religionen trieb. Mit dem Saringas-Attentat in Tokio soll die Sekte versucht haben, eine geplante Razzia der Polizei gegen ihr Hauptquartier am heiligen Berg Fuji zu verhindern.

Der Anschlag wurde für Japan zu einem gesellschaftlichen Trauma. Er zerstörte die Überzeugung der Japaner, in einem Sicherheitsparadies zu leben. Noch heute leiden viele der Opfer unter den psychischen, physischen und finanziellen Folgen. Wegen des Giftgasanschlags auf die Tokioter U-Bahn sowie anderer Verbrechen mit insgesamt 29 Todesopfern wurden 13 Todesurteile verhängt, sechs andere Angeklagte erhielten lebenslange Haft. (APA, 14.3.2018)