Marlies Krämer im Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Sie klagte, um zu erreichen, dass Sparkassen auf ihren Formularen auch die Bezeichnung Kontoinhaberin anführen müssen. Der BGH Urteilte, die männliche Anrede sei kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Foto: APA/dpa/Uli Deck

Geschlechtergerechte Sprache gilt als beliebter Beleg dafür, dass es dem zeitgenössischen Feminismus um nichts mehr geht. Dass nichts Substanzielles mehr auf dem Spiel steht, dass alles nur mehr Pipifax ist. ÖsterreicherInnen haben diese Argumentationsschiene noch lebhaft vom Wahlkampf im letzten Jahr in Erinnerung. Die GrünInnen, ätzte man in rechtspopulistischen wie auch linksliberalen Kreisen gleichermaßen, wüssten gar nicht mehr, wie feministisch überspannt sie sich noch gerieren wollen.

Als einziges frauenpolitisches Thema fiel Tarek Leitner bei dem vor der Nationalratswahl wichtigen "Sommergespräch" mit Ingrid Felipe lediglich das Binnen-I ein, ausgerechnet bei jener Partei, die dieses ernsthaft und tiefergehend betreibt. Auch der Boulevard titelt gern mit Binnen-I-Aufregern, während andere geschlechterspezifische Bereiche nicht mal ignoriert werden, wie die Studie "Frauen – Politik – Medien" kürzlich bestätigte.

So wird geschlechtergerechte Sprache laufend als einzige verbleibende feministische Forderung inszeniert und verlacht (MitgliederInnen, hihi), während man sich gleichzeitig null für andere frauenpolitische Themen erwärmen will und "dem Feminismus" in gleichem Atemzug vorwirft, sich nicht um die "wahren Probleme" zu kümmern.

Simplifizierung auf Kosten von Frauen

Viele wurden ob dieser perfiden Strategie müde zu sagen: Geschlechtergerechte Sprache ist mir wichtig. Doch eine hat nicht damit aufgehört, das zu sagen: Marlies Krämer. Die Deutsche wollte beim Bundesgerichtshof ihr Recht darauf einklagen, sich nicht mitgemeint fühlen zu müssen. "Es ist mein verfassungsmäßig legitimes Recht, dass ich als Frau in Sprache und Schrift erkennbar bin", so die 80-Järige, die darauf besteht, als "Kundin" oder "Kontoinhaberin" angesprochen zu werden.

Weder DeutschlehrerInnen noch der Duden würden widersprechen, dass das die korrekte Anrede ist. Doch das Bundesgericht urteilte, dass "schwierige Texte durch die Nennung beider Geschlechter nur noch komplizierter" würden. Und was soll man dem zufolge tun, wenn etwas zu kompliziert ist? Die weibliche Form wegstreichen, Simplifizierung auf Kosten von Frauen. Ganz einfach.

Komplizierte Sätze zu vereinfachen widerspricht ebenso den Naturgesetzen wie von Kunden und Kundinnen oder gar von KundInnen zu schreiben, während oft vorkommende Formulierungen wie "weibliche Teilnehmer" offenbar als unkompliziert gelten. Der "weibliche Teilnehmer" ist in Wahrheit natürlich – ganz schlicht – eine Teilnehmerin. Würde man präziser mit dem Maskulinum umgehen und auch das Femininum einsetzen, könnte man in solchen Fällen "weiblich" oder "männlich" vor Personenbezeichnungen einfach weglassen.

Dabei könnte alles so einfach sein

Geschlechtergerechte Sprache verkompliziert also nicht, sie vereinfacht. Oder sagen wir: Sie kann vereinfachen, mit ein bisschen Übung könnte das was werden. Aber nix da, das aktuelle Urteil rudert in die entgegengesetzte Richtung. Dabei erzählt uns die Linguistik seit langem, dass Sprache unsere Sicht auf die Welt prägt, und die Philosophie zeigt insbesondere seit dem 20. Jahrhundert, dass Sprache soziale Tatsachen liefert – alles ein alter Hut. Der extreme Widerstand gegen sämtliche Vorschläge der feministischen Linguistik erstaunt immer wieder, man gönnt ihr nicht einen kleinen Sieg. Ein Widerstand, der zeigt, dass es offenbar um weit mehr geht, als nur um ein paar Formulierungen. (Beate Hausbichler, 14.3.2018)