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Unter den 238 bei der Personalabteilung eingelangten Beschwerden befinden sich auch Vorwürfe von körperlichen Übergriffen und Vergewaltigung.

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Die Liste an Beschwerden, die von Frauen bei der Personalabteilung des IT-Riesen Microsoft deponiert haben, umfasst 238 Einträge. Die Vorwürfe, stammend aus den Jahren 2010 bis 2016, sind zahlreich und teilweise sehr schwer. 108 Mal wird von Belästigung und anderen sexuellen Übergriffen berichtet, 119 Mal von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

Acht Mal soll es Benachteiligungen aus Gründen der Rache gegeben haben, drei Mal wurde Diskriminierung aufgrund einer Schwangerschaft gemeldet. Frauen seien systematisch Gehaltserhöhungen und Karriereaufstiege verwehrt worden. Das geht aus nun frei gegebenen Dokumenten (PDF) einer ursprünglich schon 2015 eingereichten Sammelklage gegen das Unternehmen hervor.

Zumindest drei Mal wurden körperliche Übergriffen oder Vergewaltigungen gemeldet. Darunter ein Fall einer Praktikantin, die von einem anderen Praktikanten vergewaltigt worden sein soll und trotz Meldung an Polizei und Human Resources gezwungen worden sein soll, weiter mit ihm zusammenzuarbeiten.

Personalabteilung soll desinteressiert gewesen sein

Die Wortführerinnen der Sammelklage wählen deutliche Worte bei der Beschreibung ihres (ehemaligen) Arbeitsplatzes. Microsoft sei ein "exklusiver Männerverein, in dem sexuelle Belästigung grassiert."

Die Personalabteilung, so der große Vorwurf, habe kaum Interesse gezeigt, den Beschwerden angemessen nachzugehen. Von über hundert Beschwerdefällen wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes sei etwa nur einer als "begründet" anerkannt worden.

Zuständig für die Untersuchungen von Mitarbeiterkonflikten ist ein internes Team namens "ERIT", dessen Vorgangsweise jedoch keinen Vorgaben hinsichtlich seiner Arbeitsweise unterliegen soll. Oft sei trotz deutlicher Beweislage letztlich kein Verstoß gegen interne Richtlinien festgestellt worden – etwa auch in einem Fall, in dem ERIT selbst einem männlichen Mitarbeiter "übergriffiges" Verhalten attestierte-

Konzern wollte Zahl der Beschwerden geheim halten

Microsoft hält dagegen. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben bislang 55 Millionen Dollar in "Programme für Diversität und Inklusion" gesteckt. Es gäbe dabei auch Trainings, um Mitarbeiter für unbewussten Bias zu sensibilisieren. Beschwerden würden in einem "robusten, internen Untersuchungsprozess" bearbeitet. Erst im Dezember des vergangenen Jahres die Verpflichtung zu einem privaten Schlichtungsverfahren bei Beschwerden über sexuelle Übergriffe ab, die jedoch in der Praxis ohnehin nur selten schlagen geworden sein soll.

"Wir möchten, dass unsere Mitarbeiter sich kein Blatt vor den Mund nehmen, wenn sie Sorgen haben", zitiert der Guardian aus einer Stellungnahme. Man verfolge das Ziel, ihnen dies möglichst zu vereinfachen. Man sprach sich allerdings dagegen aus, die Zahl der Beschwerden öffentlich zu nennen, da dies andere Mitarbeiterinnen davon abhalten könne, sich bei Schwierigkeiten an das Unternehmen zu wenden.

Weiter ein Problem im Silicon Valley

Der Redmonder Konzern ist nicht das einzige Tech-Unternehmen, das sich mit solchen Vorwürfen befassen muss. 2017 startete das US-Arbeitsministerium eine Untersuchung gegen Google, weil der Konzern Frauen systematisch schlechter bezahlen soll. Dem hält Google interne Untersuchungen entgegen, die keinen "Pay Gap" belegen würden. Gerichtsanhängig ist zudem eine Klage des Entwicklers James Damore gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber.

Damore war nach der Veröffentlichung eines Memos, in dem er Frauen unterstellt, aus biologischen Gründen für verschiedene IT-Berufe schlechter geeignet zu sein und die Diversitätsprogramme des Unternehmens kritisiert, entlassen worden. In einer Sammelklage wirft er Google vor, weiße, konservative Männer zu diskriminieren.

Der Guardian zitiert darüber hinaus eine im Silicon Valley durchgeführte Untersuchung aus 2016. Demnach seien 60 Prozent der weiblichen Angestellten bereits von "unerwünschten sexuellen Vorstößen" betroffen gewesen. Großteils seien diese von einem Vorgesetzten ausgegangen. (gpi, 14.03.2018)