Wien – Es dauert eine gute Stunde, bis Johannes H. erstmals zugibt, was er für ein Problem hat. "Sind Sie der Meinung, dass Sie pädophil sind?", fragt ihn Sonja Höpler-Salat, Vorsitzende im Schöffenprozess gegen den 61-jährigen Angeklagten. "Ja", lautet dessen leise Antwort. Sechs Mädchen, darunter seine eigene Enkelin, soll H. zwischen den Jahren 2000 und 2016 sexuell missbraucht haben, ein Vorwurf, zu dem er sich schuldig bekennt.

Zu Beginn des Verfahrens hört sich das noch anders an. "Was ist Ihre sexuelle Orientierung?", fragt ihn die Vorsitzende zunächst. "Hetero!", sagt er beinahe empört. "Und auf das Alter bezogen? Stehen Sie eher auf Jüngere?" – "Eher auf Ältere", beeilt sich H. zu beteuern. "Wann hatten Sie denn das letzte Mal sexuellen Verkehr mit einer Erwachsenen?" – "1989, mit meiner Frau, als sie zum dritten Mal schwanger wurde", sagt der geschiedene zweifache Vater.

"Ich habe einfach nicht nachgedacht"

"Aber wie kommt es dann zu den Vorwürfen, die wir heute verhandeln? Sie haben sich ja schuldig bekannt?", wundert sich Höpler-Salat. "Das waren Kurzschlusshandlungen", versucht es der Angeklagte. "Ein Kurzschluss zwischen 2000 und 2016?", ist die Vorsitzende baff. "Nein, zwischen 2002 und 2013 war ja nichts mehr." – "Eine Kurzschlusshandlung bei mehreren Mädchen?", bleibt die Vorsitzende hartnäckig. "Ich habe einfach nicht nachgedacht. Ich war ein Trainer ...", lässt H. den Satz offen.

Seine Opfer suchte er sich sowohl bei den Volleyballmannschaften, die er durchaus erfolgreich betreute, ebenso wie im häuslichen Umfeld – neben der Enkeltochter ist auch ein Nachbarsmädchen, dem er Nachhilfe gab, betroffen. Die Kinder waren meist zwischen neun und elf Jahre alt, als er sie betastete und ihre Geschlechtsteile fotografierte.

Fotoaufnahmen vom Schaumbad

Viel Empathie zeigt er nicht, sieht sich im Gegenteil fast als Opfer. In einem Fall beispielsweise habe ein Mädchen bei ihm gebadet und zu viel Schaumbad verwendet, worauf die Badewanne überging. "Sie hat das lustig gefunden und wollte, dass ich ein Foto mache." – "Und wieso gibt es dann Großaufnahmen vom Geschlechtsteil des Kindes?", mag Höpler-Salat das nicht recht glauben. "Das war später. Im Schlafzimmer. Sie hat sich selbst befriedigt, viel zu hart, und ich habe ihr gesagt: 'Ich zeige Dir, dass man das zärtlich machen muss'", behauptet er über die damals Zehnjährige.

H. bestreitet zunächst auch einen sexuellen Hintergrund. "Es war für mich nicht unbedingt sexuelle Erregung. Ich habe halt eine besondere Zuneigung zu dem Kind", sagt er an einer Stelle. "Es waren sechs Kinder", korrigiert Höpler-Salat ihn trocken. Bei der Polizei war er in einem Verhör noch konkreter geworden. "Ich habe mir das gerne angesehen, es macht mich glücklich", hatte er damals über seine kinderpornografischen Bilder gesagt. Allein 42 Fotos zeigen seine damals sechsjährige Enkelin.

Wunsch nach Therapie

Drei der Opfer wollen jeweils 5.000 Euro Schadenersatz von ihm, auf Anraten seiner Verteidigerin Irene Pfeifer, die auf fehlende Befunde über psychische und physische Verletzungen hinweist, ist er bereit, je 1.000 Euro zu zahlen. Wie er sich seine Zukunft vorstelle? "Ich möchte eine Therapie machen", verrät er Pfeifer. Was Höpler-Salat dazu bewegt, ihn direkt nach seiner pädophilen Neigung zu fragen.

Auslöser der Übergriffe könnte der frühe Tod eines Sohnes gewesen sein, mutmaßt H. auch noch. Und das mangelnde Interesse seiner Frau an Sex. "Was hat das damit zu tun, dass Sie Kinder missbrauchen?", unterbricht die Vorsitzende ihn, nachdem er auch lamentiert hat, mittlerweile alles im Leben verloren zu haben. "Haben Sie auch einmal darüber nachgedacht, wie es den kleinen Mädchen dabei geht? Glauben Sie, dass es denen Spaß gemacht hat?" – "Nein, das glaube ich eigentlich nicht." – "Wenigstens etwas."

Zeuge verständigte Polizei

Aufgeflogen ist die Sache übrigens im Sommer 2016, als ein Zeuge die Polizei verständigte, nachdem er beobachtet hatte, wie H. im Umfeld des Beachvolleyballturniers in Klagenfurt einem der von ihm trainierten Mädchen unter die Hose griff.

Bei einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren verurteilt der Senat den Unbescholtenen schließlich zu viereinhalb Jahren Haft, zusätzlich muss er drei Opfern 3.000 Euro zahlen. Er nimmt das Urteil an, der Staatsanwältin ist die Strafe zu gering, sie geht in Berufung – die Entscheidung ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 14.3.2018)