Ich versuche schon seit einiger Zeit zu verstehen, wieso unsere Kultur sich so vehement gegen eine Veränderung von Sprache, die Frauen sichtbar macht, wehrt. Wieso das Thema so wichtig ist, dass eine Sparkasse lieber einen kleinkarierten Rechtsstreit führt, als einfach ein paar Formulare zu verändern. Warum so vielen Leuten so viel daran liegt, auch amtlich gerichtlich bestätigt zu haben, dass niemand sie zwingen kann, weibliche Formen zu verwenden.

Sprache macht Frauen unsichtbar

Ich bewundere Frauen wie Marlies Krämer, die sich die langen Märsche durch Institutionen antun, um was zu verändern, und sie bewirken damit ja auch wirklich was. Aber ich frage mich inzwischen, ob es wirklich darum geht, ob "Frauen mitgemeint" sind. So haben feministische Kritikerinnen der "Männersprache" ja lange und bis heute argumentiert: Das generische Maskulinum – also dass eine männliche Form für Menschen insgesamt verwendet wird, darunter auch Frauen – würde Frauen unsichtbar machen, Frauen fühlten sich eben nicht angesprochen und nicht gemeint.

Das ist zweifellos zutreffend und hat historische Gründe, vor allem natürlich den, dass bis zur Emanzipation Frauen eben tatsächlich auch nicht mitgemeint waren, wie Autorin Dorothee Markert kürzlich nochmal klargestellt hat. Aber wenn es nur das wäre, dass man sich dagegen sträubt, Frauen auch tatsächlich und explizit mitzumeinen, dann ließe sich diese völlig überzogene Abwehr gegen inklusive Sprache nicht erklären, glaube ich. Denn anders als im 19. Jahrhundert will man Frauen heute ja mitmeinen. Die Sparkasse Sulzbach zum Beispiel hat ja sicher nichts gegen weibliche Kundinnen, umwirbt sie vielleicht sogar. Warum also dieser absurde Aufwand, nur um sie nicht auch mit einer weiblichen sprachlichen Form ansprechen zu müssen?

Unsere Sprache ist eine "Männersprache".
Foto: APA/AFP/PHILIPPE DESMAZES

Menschen, nicht Männer

In einem langen und viel kommentierten FAZ-Artikel hat der pensionierte Linguistik-Professor Peter Eisenberg uns kürzlich nochmal "herrklärt", "dass das grammatische Geschlecht mit dem biologischen Geschlecht nichts zu tun hat". In seinem Text stieß ich auf einen Satz, der mich auf die Idee brachte, dass das Problem vielleicht ganz woanders liegen könnte, als beim "Mitmeinen" von Frauen. Eisenberg schreibt:

"Schon seit Beginn der feministischen Linguistik in den achtziger Jahren hat man mit der Sexusneutralität der generischen Maskulina gehadert: "Lehrer", "Denker", "Dealer" seien keineswegs geschlechtsneutral, vielmehr dienten sie der Bezeichnung von Personen männlichen Geschlechts. Das Maskulinum wurde regelrecht sexualisiert."

Das ist es: Was Leute wie Eisenberg und Co ärgert ist nicht die Sichtbarmachung des Weiblichen, sondern die Sichtbarmachung des Männlichen als Sexus.

Das Problem am generischen Maskulinum ist nämlich in der Tat nicht, dass es Frauen nicht sichtbar machen und nicht benennen würde. Denn tatsächlich ist es nach diesem herkömmlichen Sprachverständnis ja möglich, Frauen sichtbar zu machen und zu benennen: Man muss an die Wörter nur ein "-in" dranhängen. Was hingegen bei Verwendung eines generischen Maskulinums nicht möglich ist, das ist die Sichtbarmachung von Männern als spezifische Gruppe. Weil Bezeichnungen für Männer einfach identisch sind mit Bezeichnungen für Menschen.

Männer sind immer gemeint

Mit dem Feminismus ist aber genau dieses sprachliche Bedürfnis in die Welt gekommen. Wir bestreiten den Anspruch von Männern und Männlichkeit, das Allgemeine zu respräsentieren, und uns den Status des Partikularen zuzuweisen. Männer sind nur ein Teil der Menschheit, und zwar ein spezifischer Teil, der nicht den Anspruch erheben kann, für uns zu sprechen.

Das ist aber eine Erkenntnis, die viele Männer überhaupt nicht hören wollen, und die sie zuweilen auch gar nicht verstehen. Ich glaube tatsächlich, dass ihnen, gerade aufgrund der Struktur unserer Sprache, hierfür die Übung fehlt. Während Frauen aufgrund des generischen Maskulinums von klein auf üben (müssen), zu unterscheiden, ob sie gemeint sind oder nicht, werden Männer daran gewöhnt, dass sie immer gemeint sind, dass es prinzipiell immer um sie geht, es sei denn, es ist ausdrücklich von Frauen die Rede. Das sind dann diese "Frauenthemen", die sie nichts angehen und nicht betreffen.

Im Zusammenhang mit der Debatte um die deutsche Nationalhymne, wo der Vorschlag im Raum steht, das Wort "brüderlich" zu ersetzen, habe ich irgendwo einen Kommentar gelesen, wo jemand sogar bestritt, dass das Wort "brüderlich" männlich sei, mit dem Argument, Frauen könnten ja auch "brüderlich" miteinander umgehen. Ich glaube, das ist nicht mal böse gemeint, sondern ein wirklich lange kulturell eingeübtes Männlichkeitsverständnis: Der Universalismus ist da quasi schon im Konzept mit eingebaut, etwas anderes ist undenkbar.

Tweet zum Fall der Sparkassen-Kundin.

Sprachkosmetik oder Grundpfeiler?

Genau das wird aber mit dem Verweis auf die "Maskulinität" des generischen Maskuliniums offengelegt. Und eben diese Offenlegung, diese "Sexualisierung des Maskulinums", um mit Eisenberg zu sprechen, muss um jeden Preis verhindert werden, weil sie eben genau nicht "Sprachkosmetik" ist, sondern an die Grundpfeiler unserer Kultur geht.

An diese Grundpfeiler will der Feminismus aber ran, und um das besprechen zu können, brauchen wir eben zwei unterschiedliche Wörter: Eins für Menschen, und eins für Männer. Und diese zwei unterschiedlichen Wörter gibt eine Sprache, die generisches Maskulinum verwendet, einfach nicht her.

Ich glaube, von Luise Pusch, Sprachwissenschafterin und Pionierin in diesen Dingen, stammt bereits der Vorschlag, neben der weiblichen Endung "-in" zusätzlich eine männliche Endung, zum Beispiel "-ich" einzuführen und die neutrale Variante konsequenterweise zum Neutrum zu machen: Das Lehrer, die Lehrerin, der Lehrerich.

Der Charme dabei wäre, dass sich die Diskussionen dann tatsächlich einmal um Männlichkeit drehen würden, die nämlich das eigentliche Problem darstellt – nicht nur bei diesem Thema, sondern meistens –, anstatt dass immer über Weiblichkeit diskutiert wird, die ja sprachlich gesehen überhaupt nicht problematisch ist.

Es würde auch das Unbehagen aufgreifen, das ja auch viele Frauen schon immer gegen die "geschlechtergerechte" Sprache haben, weil es ja tatsächlich stimmt, dass auf diese Weise beim Sprechen ständig Geschlechtlichkeit adressiert wird, auch dann, wenn sie im Kontext des Gesagten überhaupt keine Rolle spielt. (Antje Schrupp, 16.3.2018)