Ich muss mir eine Woche Auszeit von der Politik geben, der Blutdruck, Sie kennen das. Außerdem hatte ich die Handwerker zu Hause. Leider sind auch Handwerker dem Blutdruck nicht immer zuträglich.

Nichts gegen das Handwerk an sich, im Gegenteil, Handwerk hat goldenen Boden. Den gesellschaftlichen Nutzen eines Schlossers, der die Tür aufsperrt, oder eines Installateurs, der das verstopfte Klo in Schuss bringt, ehrliche Handwerksburschen also, schätze ich weit höher ein als den Nutzen von durch schockweise "Coachings" und "Rhetoriktrainings" deformierten Polit-Mundwerksburschen, die ihr destruktives Treiben mit öligem Geschwätz bemänteln und dabei so authentisch wirken wie ein Karfiol aus Keramik.

Morgentoilette abrupt beenden

Aber auch Handwerker haben ihre Tücken. Sie haben ihre eigenen Uhrzeiten. Sagt sich ein Handwerker für acht Uhr morgens an, so kann das bedeuten, dass er um 8.30 Uhr kommt oder um 11.15 Uhr, es ist aber auch gut möglich, dass er bereits um sieben vor der Tür steht und so die Bewohner zwingt, ihre Morgentoilette so verfrüht wie abrupt zu beenden und sich womöglich beim Hechtsprung in die Unterhose diese zu zerreißen.

Problematisch sind vor allem Handwerker in der Wohnung (kein Problem mit Auswärts-Handwerkern wie dem Bäcker; Salzstange nehmen, bezahlen, adieu). All die Maler, Maurer, Elektriker und Installateure aber, die einem tage- bis wochenlang auf den Leib rücken, strapazieren jeden einzelnen Nerv. Zwei Wochen zwei Maler, das fühlt sich an, als wäre man gleich vier Wochen am rechten Gebrauch seiner Wohnung gehindert.

Mengenäquivalent von 18 Monaten

Wir genossen einmal sich wegen ständiger unvorhergesehener Scherereien in die Länge ziehende Umbauarbeiten, die in Summe drei Monate dauerten und bei denen fallweise zwei Drei-Mann-Partien gleichzeitig am Werk waren. Das entspricht einem mentalen Mengenäquivalent von 18 Monaten. Nach dem Daueraufenthalt in dieser Handwerker-WG quälte uns nachträglich lange der Eindruck, ein ausgedehntes Sabbatical in Feuerland oder Litauen ausgelassen zu haben.

Damals habe ich mir eine Neurose zugezogen. Hält sich ein Handwerker zu lange in meiner Nähe auf, ereilen mich tödlich-lustvolle Halluzinationen: von Schornsteinfegern, die nie wiederkehren, oder von Maurern, die abkratzen. Ich sollte wohl mit einem Arzt darüber reden. (Christoph Winder, 16.3.2018)