Rory Best und seine Boys in Grün mit dem Siegerpokal.

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London/Wien – "Für mich persönlich, ist das noch ein bisschen spezieller. Nicht nur, dass ich bei jedem Spiel in der Startformation gestanden bin – ich war auch noch der Kapitän. Als Kind träumst du davon, in diesem grünen Trikot zu spielen, etwas zu gewinnen. Und nun das. Es ist wohl der Höhepunkt meiner Karriere."

Also sprach Rory Best, Skipper der irischen Rugby-Nationalmannschaft, am Samstag nach dem famosen Sieg seiner Truppe in Twickenham gegen England. Das 24:15 im Londoner Schneetreiben war der fünfte Sieg der Iren im fünften Spiel der Six Nations 2018. Der Titelgewinn war schon zuvor festgestanden, doch ein großes Ziel blieb: der Grand Slam. Blütenweiß das älteste Turnier der Welt zu beenden, war den Iren seit 1883 erst zwei Mal gelungen, 1948 und 2009. Dass die XV um Best und Chefcoach Joe Schmidt dieses Kunststück nun zum dritten Mal daherzauberte, wird ihr einen Ehrenplatz in Irlands Rugby-Folklore zuweisen.

Der Sieg in England war keine Überraschung, hatte sich Schmidts Ensemble in seinen bisherigen Darbietungen doch so gefestigt und wunderbar ausbalanciert erwiesen. Dass er in so souveräner Manier daherkommen würde, war jedoch nicht zu erwarten. Bei einem Halbzeitstand von 21:5 war bereits frühzeitig de facto alles entschieden, besser kann ein St. Patrick's Day kaum verlaufen.

Pragmatische Passion

Tries durch Garry Ringrose, CJ Stander und dem verblüffenden Jacob Stockdale zählten als Dividende einer Vorstellung, in der höchste Emotionalität in eiskalte Abgebrühtheit transformiert wurde. Wie effizient die Iren ihre Chancen in Punkte ummünzten, beeindruckte. Umso mehr, wann man bedenkt, dass die Gäste nach einer gelben Karte gegen Peter O'Mahony zeitweise auch noch in Unterzahl agierten. Stockdale, ein 21-jähriger Jungspund aus Ulster, der erst im Sommer 2017 sein internationales Debüt gegeben hatte, schüttelte einen Rekord quasi aus dem Ärmel: Mit sieben Tries im Verlauf des Turniers stellte er eine neue Bestmarke auf, brauchte dafür nur vier Spiele. "Ich glaube, der Ball taucht einfach genau an den richtigen Orten auf und ich kriege die Belohnung dafür", versuchte Stockdale eine Erklärung seines Fischzuges.

Schmidt, der Coach, meinte nach dem Triumph: "Wir gehen an solche Dinge pragmatisch heran. Wir wollen die Dinge richtig machen. Ich könnte nicht stolzer auf meine Gruppe sein, auf die Art und Weise, in der sie sich engagiert hat." Doch auch seine eigene Bilanz ist aller Ehren wert. Seit der 52-jährige Neuseeländer 2013 das Ruder übernahm, zeigt die irische Nationalmannschaft konstant starke Leistungen. Drei Titel bei den Six Nations (2014, 2015 und 2018) stehen nunmehr zu Buche. In der Weltrangliste schoben sich die Iren auf Platz zwei hinter Weltmeister Neuseeland.

Eine ganz andere Geschichte

England, das zuvor 14 Mal hintereinander in Twickenham gewonnen hatte, konnte die Grüne Maschine in der zweiten Halbzeit zwar phasenweise ein bisschen irritieren, gefährdet war ihr Erfolg nie. Die Kampagne des Titelverteidigers endete im Desaster. Als Favorit gestartet, hatte man den dritten Gesamtsieg in Serie anvisiert – etwas, das noch keiner Mannschaft je gelungen ist. Nun, Geschichte wurde geschrieben, aber eine ganz andere als die erhoffte: Da Wales (14:13 gegen Frankreich) und Schottland (29:27 in Italien) zwar wankten aber nicht fielen, musste sich England erstmals mit dem indiskutablen fünften Platz bescheiden. Drei Niederlagen in fünf Spielen gab es seit 2006 nicht mehr.

Trainer Eddie Jones, durch kürzlich aufgepoppte, gegen Iren und Waliser gerichtete Beschimpfungen belastet, hatte am Samstag kleine Brötchen zu backen. Der Australier, Englands erster ausländischer Teamchef, lobte den Gegner als "verdienten Champion", als "diszipliniertes, gut gecoachtes, taffes" Team. Sein eigenes Lager hätte sich dagegen erneut mit individuellen Disziplinlosigkeiten in Probleme gebracht. Man habe Irland erlaubt, kontinuierlich Punkte zu sammeln und in der Folge davonzuziehen. Die dritte Niederlage in Serie war die Folge.

Jones sah sich erstmals in seiner Amtszeit genötigt, Misserfolg zu erklären. 23 von 24 Ländermatches hatte seine Mannschaft gewonnen, ehe die Flitterwochen auf so unschöne Weise ein Ende fanden. Der 58-Jährige, oft mit an Arroganz grenzendem Selbstvertrauen auftretend, interpretierte den Negativlauf als gute Gelegenheit, um zu lernen. Zwar gäbe es am Charakter seiner Gruppe nichts auszusetzen, doch was es nun zu entwickeln gelte, sei "eine neue Art zu spielen". Jones, mit dem erkläften Ziel angetreten, England zur Nummer eins der Welt zu machen, räumte ein, dass das bisher erreichte Niveau gegen bestimmte Gegner nun nicht mehr ausreicht. (Michael Robausch, 18.3. 2018)