Brüssel – Die EU hat den Giftanschlag auf einen russischen Ex-Spion in Großbritannien scharf verurteilt. Die Außenminister erklärten am Montag ihre "uneingeschränkte Solidarität" mit der britischen Regierung. Eine direkte Schuldzuweisung an Russland fand sich darin aber nicht. Grund war offenbar Widerstand aus Griechenland.

Die EU nehme die britische Einschätzung "äußerst ernst, dass es höchst wahrscheinlich ist, dass die Russische Föderation verantwortlich ist", hieß es in einer Erklärung der 28 Minister lediglich. Sie blieb damit hinter der Erklärung Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und der USA von vergangener Woche zurück, wonach Moskau mit "hoher Wahrscheinlichkeit die Verantwortung" trägt.

Griechen für Abschwächung

Der griechische Außenminister Nikos Kotzias habe sich "für eine Abschwächung der Erklärung eingesetzt", sagte ein Diplomat. "Die überwiegende Mehrheit hat sich einen schärferen Text vorstellen können." Letztlich habe sich Griechenland aber zu einer möglichen Verantwortlichkeit Russlands bekannt. Die linksgeführte griechische Regierung hat sich in der EU immer wieder für die Lockerung der Russland-Sanktionen im Ukraine-Konflikt eingesetzt.

Alle Informationen deuteten darauf hin, "dass es keine alternative plausible Erklärung dafür gibt, dass hier auch eine Mitverantwortung der russischen Seite besteht", sagte der deutsche Außenminister Heiko Maas. Wenn Russland das entkräften könne, solle es das tun. "Aber die Informationen, die wir haben, sagen etwas anderes."

Kneissl fordert Aufklärung

Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) forderte Aufklärung hinsichtlich des Giftanschlags. Die Experten seien bereits dabei, die Substanzen zu überprüfen, doch gehe sie davon aus, dass das längere Zeit in Anspruch nehmen werde, sagte sie am Montag.

Der britische Außenminister Boris Johnson bezeichnete Versuche Russlands, eine Verantwortung für den Giftanschlag zurückzuweisen, als "zunehmend absurd". Moskau wende "eine klassische russische Strategie" an, indem es versuche, "die Nadel der Wahrheit in einem Heuhaufen von Lügen und Verschleierung zu verstecken", sagte Johnson in Brüssel.

"Unbegründete Behauptungen"

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow forderte London am Montag auf, seine "unbegründeten Behauptungen" entweder mit angemessenen Beweisen zu belegen oder sich zu entschuldigen. Aus seiner Sicht bedeute der Konflikt keine generelle Verschärfung im Verhältnis zum Westen. "Es geht um einen schwer zu erklärenden, unmotivierten, unbegründeten Strom an Verleumdungen gegen Russland vonseiten Großbritanniens", sagte Peskow der Agentur Interfax zufolge.

Präsident Wladimir Putin nannte die Vorwürfe nach seinem Wahlsieg am Sonntag "unsinnig". Russland sei bereit, mit London bei der Aufklärung zusammenzuarbeiten. Zugleich hob er hervor, dass Russland alle seine chemischen Waffen vernichtet habe. Sein Wahlkampfsprecher Andrej Kondraschow bedankte sich ironisch bei der britischen Regierung: Sie habe geholfen, Wähler für Putin zu mobilisieren.

"Vollständig inakzeptabel"

Der Einsatz chemischer Waffen sei "unter jeglichen Umständen vollständig inakzeptabel" und stelle "eine Sicherheitsgefährdung für uns alle dar", hieß es in der Erklärung der EU-Außenminister. Sie begrüßten, dass die britische Regierung bei den Ermittlungen mit den Experten der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) zusammenarbeitet. Mit dem Fall wird sich Ende der Woche voraussichtlich auch der EU-Gipfel befassen.

Experten der OPCW wurden am Montag in Großbritannien erwartet, um die bei dem Giftanschlag auf den russischen Ex-Agenten Sergej Skripal und seine Tochter verwendete Substanz zu untersuchen. Nach Angaben des britischen Außenministeriums dürften die Ergebnisse in frühestens zwei Wochen vorliegen.

Der britische Außenminister Johnson wollte am Montagnachmittag auch mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zusammentreffen. Die 29 Nato-Mitglieder haben den Angriff bereits vergangene Woche verurteilt. (APA, 19.3.2018)