Wien – Im Parlament kippen die Koalitionsparteien am Donnerstag das ab Mai anvisierte Gastro-Rauchverbot. Die SPÖ dagegen bringt im Nationalrat einen Antrag für eine Volksabstimmung zu der Agenda ein – sehr zum Ärger der Freiheitlichen, die nun, anders als zu Wahlkampfzeiten, gegen ein bindendes Referendum sind. Beim STANDARD-Streitgespräch zwischen SPÖ-Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner und FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky prallen die Argumente schon vorab aufeinander.

Ex-Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) belehrt FPÖ-Mann Harald Vilimsky im Café Landtmann: "Die größte Unfreiheit des Menschen ist die Sucht!"
Foto: Der Standard/Corn

STANDARD: Damit wir gleich zu Beginn die Verhältnisse klären: Wie viel haben Sie heute schon geraucht – aktiv wie passiv gemeint?

Rendi-Wagner: Zuvor war ich auch schon in einem Café – zwar im Nichtraucherbereich, aber wie wir aus Studien wissen, ist man auch dort keineswegs vor den Schadstoffen in den Zigaretten geschützt.

Vilimsky: Ich habe heute erst zwei geraucht – eine am Fenster, eine am Weg hierher. Natürlich haben Nichtraucher das Recht, vom Qualm unbehelligt zu sein. Trotzdem meine ich, dass man mit einem Verbot in der Gastronomie die Raucher stigmatisiert – und Sie wollen dafür sorgen, dass Raucher künftig in einer Glaszelle wie im Zoo präsentiert werden oder auf die offene Straße hinausmüssen, bei Sturm, bei Regen und bei Schneefall! Beides ist unwürdig. Ich möchte nicht, dass wir als Ausgestoßene in einem Winkerl stehen müssen. Wenn Sie Zigaretten am liebsten verbieten wollen, dann sagen Sie es doch!

Auch Vilimsky belehrt im STANDARD-Gespräch Rendi-Wagner: "Na bitte, nach Ihrer Logik sind also Nichtraucherlokale nicht überlebensfähig."
Foto: Der Standard/Corn

Rendi-Wagner: Das ist lächerlich! Niemand will Zigaretten verbieten, auch keinen Alkohol. Aber warum ist es sehr wohl verboten, betrunken Auto zu fahren? Weil man andere gefährdet. Nichts anderes ist das mit dem Rauchen! Weil hier andere zu Schaden kommen, deswegen soll Rauchen in der Gastronomie verboten sein. Sie tun so, als ob wir eine Verbotspolitik an den Tag legen. Aber die größte Unfreiheit des Menschen ist die Sucht!

STANDARD: Die SPÖ hat beim Nichtraucherschutz auch lasche Kompromisse gemacht: Zuerst ließ man die Wirte nach einer Quadratmeterregelung umbauen, zuletzt hat man eine lange Übergangsfrist für ein Gastro-Rauchverbot gewährt.

Rendi-Wagner: Die Regelung für die Wirte mit den abgetrennten Räumlichkeiten wurde unter der Ägide von Ex-ÖVP-Ministerin Andrea Kdolsky umgesetzt – heute wissen wir aus Studien, dass die Schadstoffbelastung im Nichtraucherbereich viel höher ist als neben einer vielbefahrenen Straße. Uns geht es darum, dass die Bediensteten in der Gastronomie besser geschützt werden, die dort oft acht Stunden und mehr kellnern müssen. Da sind 15-jährige Lehrlinge darunter, aber natürlich auch Kleinkinder, die sich in Raucherlokalen aufhalten. Die FPÖ will mit der ÖVP jetzt beim Nichtraucherschutz zum Stand vor zehn Jahren zurück.

Vilimsky: Mit Verlaub, aber die Österreicher brauchen keine Vorschriften von der Politik, wo und wie sie ihre Freizeit verbringen. Sie sind in der Lage, das unter sich zu regeln – und als Nichtraucher ist doch niemand verpflichtet, in einem Raucherlokal Platz zu nehmen. Wenn der Bedarf an Nichtraucherlokalen so hoch wäre, würden die doch wie die Schwammerln aus dem Boden sprießen! Außerdem haben die Lokalbetreiber viel Geld investiert und sich mitunter verschuldet, dass sie ihren Gästen beide Bereiche bieten können – und im Übrigen sind viele Kellner selbst Raucher. Wenn das jemandem zu viel ist, kann man in einem Nichtraucherlokal arbeiten.

"Das wäre nur ein Griff in die Taschen der Menschen", sagt Vilimsky zu einer möglichen Erhöhung der Zigarettenpreise befragt.
Foto: Der Standard/Corn

Rendi-Wagner: Das ist zynisch. Kellner verdienen den gleichen Schutz wie alle anderen Arbeitnehmer. Beschäftigte in der Gastronomie sind nicht Beschäftigte zweiter Klasse!

STANDARD: Das Volksbegehren für die Durchsetzung des unter Rot-Schwarz anvisierten Gastro-Rauchverbots hat aktuell 536.000 Unterschriften. Halten Sie die breite Unterstützung immer noch für "unseriös" und "parteipolitisch motiviert, wie Ihre Gesundheitssprecherin behauptet hat?

Vilimsky: Ich glaube, dass das Begehren von den Gegnern der Regierung hochstilisiert wird – da geht es nicht primär um die Sache.

STANDARD: Initiiert haben das Begehren aber die Krebshilfe und die Ärztekammer.

Vilimsky: Der Ärztekammer-Chef ist doch selbst schon rauchend vor einem Lokal gestanden!

Rendi-Wagner: Es geht hier sicher nicht um einen Kampf zwischen Rauchern und Nichtrauchern – und das Foto (von Thomas Szekeres, Anm. d. Red.), das veröffentlicht wurde, dagegen hat ja niemand etwas! Das zeigt doch nur, wie jemand auf der Straße unter freiem Himmel raucht.

Vilimsky: Die Raucher können gar nirgends mehr hingehen! Das Rauchen ist doch ein Nebenthema der Politik, denn die Politik ist dafür da, Wohlstand zu generieren, Pensionen zu sichern ...

Rendi-Wagner: Wenn ich Ihnen und Ihren Parteikollegen so zuhöre, habe ich den Eindruck, dass Sie eine gewisse Entwicklung nicht mitgemacht haben. Ein Gastro-Rauchverbot funktioniert doch mittlerweile auf der ganzen Welt. Auch ich habe mit Wirten gesprochen – und viele sagen, dass es aufgrund des Wettbewerbs schwierig ist, zu überleben, wenn es daneben fünf Raucherlokale gibt. Deswegen wollen wir hier faire, gleiche Bedingungen schaffen.

Vilimsky: Na bitte, nach Ihrer Logik sind also Nichtraucherlokale nicht überlebensfähig. Ist Ihnen also bewusst, wie viele Arbeitsplätze Sie mit einem totalen Rauchverbot in den Sand setzen?

Rendi-Wagner: Ganze 39 Studien aus diversen Staaten belegen, dass es bisher bei einem Rauchverbot à la longue nirgends zu Umsatzeinbußen gekommen ist. In Bayern etwa kam es sogar zu einem Umsatzplus von fünf Prozent. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass die Jugend erst gar nicht mit dem Rauchen anfängt.

Vilimsky: Da legen Sie mir aber einen Elfmeter auf. Die Regierung will den Jugendschutz verbessern – etwa dass der Kauf von Zigaretten erst ab 18 möglich ist. Das gab es in einer SPÖ-dominierten Regierung nicht, bitte sehr!

Rendi-Wagner: Die wirksamste Maßnahme für Jugendliche ist ein Rauchverbot in der Gastronomie. Ihr Rauchverbot für Autofahrer schützt zwar beim Fahren die Kinder vor Rauch, nicht aber in Lokalen. Das ist für mich eine Farce.

STANDARD: Sie betonen beide, dass Sie für Raucherprävention sind. Doch sind Sie auch für eine Erhöhung der Zigarettenpreise?

Vilimsky: Das wäre nur ein Griff in die Taschen der Menschen ...

Rendi-Wagner: Das Geld könnte man aber für Prävention verwenden – wie auch die Raucherabgabe für Wirte, die ja in Ihrem Regierungsprogramm verankert war, die Sie aber abgeblasen haben.

Vilimsky: Letztlich entscheidet jedoch jeder junge Mensch selbst, ob er zu rauchen beginnt.

STANDARD: Die FPÖ wollte, dass erfolgreiche Begehren automatisch zu Volksabstimmungen führen. Haben Sie mittlerweile umgedacht, dass ein solcher Mechanismus Regieren by Chaos bedeuten würde?

Vilimsky: Zuerst warten wir das Ende des Volksbegehrens ab – und dann debattieren wir es im Parlament. Davor gab es aber auch schon einmal 500.000 Unterschriften – und zwar gegen ein Gastro-Rauchverbot.

STANDARD: Die allerdings nicht mehr auffindbar sind.

Vilimsky: Sie hat es aber gegeben, und sie wurden übergeben. Fakt ist: Wir haben 500.000 für das Verbot und 500.000 dagegen. Das ist die Meinungslage.

Rendi-Wagner: Warum sind Sie dann gegen ein Referendum?

Vilimsky: Weil wir noch kein Ergebnis des Volksbegehrens haben. Nur weil Sie jetzt im Schmollwinkerl der Opposition sitzen, ändern Sie Ihre Meinung.

Rendi-Wagner: Nie! Ich habe meine Meinung nie geändert. Ich bin Ärztin und Gesundheitsexpertin.

Vilimsky: Aber als Partei machen Sie eine Rolle rückwärts.

Rendi-Wagner: Sie waren mit der direkten Demokratie nur auf Wählerfang. Das ist kein Purzelbaum, das sind vier Salti rückwärts!

STANDARD: Bisher war die SPÖ aber nie eine große Verfechterin der direkten Demokratie – klingt auch etwas nach Aktionismus?

Rendi-Wagner: Wir sind bei diesem Thema für eine Volksabstimmung, weil wir das einzige Land weltweit wären, das den Nichtraucherschutz zurückfährt.

Rendi-Wagner kritisiert den Umgang der Freiheitlichen mit dem erfolgreichen "Don't Smoke"-Volksbegehren: "Sie waren mit der direkten Demokratie nur auf Wählerfang. Das ist kein Purzelbaum, das sind vier Salti rückwärts!"
Foto: Der Standard/Corn

STANDARD: Was, wenn sich hunderttausende Unterschriften zu einem Blödsinn finden – die FPÖ trommelt etwa für eine Abschaffung der ORF-Gebühren?

Vilimsky: Das ist ja kein Blödsinn!

Rendi-Wagner: Ich kenne die Themen, die Sie nennen, wenn es Ihnen um direkte Demokratie geht. Sie sind alle nicht vergleichbar mit dem Raucherthema. Da haben wir eine eindeutige Faktenlage.

Vilimsky: Wir haben überhaupt keine eindeutige Meinungslage. Ich warne vor Schnellschüssen. Wenn es 900.000 Unterschriften gibt, werden wir das in Ruhe beraten – bisher ist ein Volksbegehren wie viele andere auch.

Rendi-Wagner: Der Schnellschuss ist Ihr Kippen des Rauchverbots.

Vilimsky: Gast und Gastgeber sind die zwei, die darüber entscheiden, ob geraucht wird. Wenn ich Sie zu mir privat am Abend einlade ...

Rendi-Wagner: ... dann respektieren Sie meinen Wunsch nicht?

Vilimsky: Das ist rein theoretisch. Ich weiß, dass Sie meine Einladung nicht annehmen würden.

Rendi-Wagner: Wer sagt das?

Vilimsky: Was ich sagen will: Die Politik soll da nicht mitreden.

STANDARD: Aber die Politik sollte mit Sucht doch einen angemessenen Umgang finden?

Vilimsky: Rauchen ist Genuss mit einer Suchtkomponente, ja.

Rendi-Wagner: Und Sucht ist eine Krankheit.

Vilimsky: Sie bringen die Menschen nicht weg vom Rauchen.

Rendi-Wagner: Doch. In Ländern mit Gastro-Rauchverbot gibt es seitdem 50 Prozent weniger Raucher. Das wären um 7000 Tote pro Jahr weniger in Österreich.

Vilimsky: Da gibt es viele Statistiken. Ich glaube, dass die Menschen auf zu Hause ausweichen.

Rendi-Wagner: Was Sie glauben, ist Ihre Meinung, aber keine wissenschaftliche Erkenntnis.(Marie-Theres Egyed, Nina Weißensteiner, 20.3.2018)