Nulldefizit, nicht schon wieder ein Nulldefizit! 18 Jahre nach dem letzten Anlauf macht sich eine VP-FP-Regierung wieder daran, einen ausgeglichenen Haushalt zu erstellen. Diesmal soll es – anders als das später als Schummelwerk enttarnte "sanierte Budget" von Karl-Heinz Grasser – eine echte schwarze Null, sogar ein kleiner Überschuss werden. Und während die Regierung dies als Triumph feiert, schreien Opposition und andere Kritiker auf: Wie kann man eine Zahl zum Fetisch machen, dafür wichtige staatliche Programme streichen – und so den sozialen Zusammenhalt im Land gefährden?

Wieder einmal wird die Budgetpolitik zu einer Rechts-links-Debatte, in der hartherzige Sanierer auf sorglose Geldverschwender stoßen. Dabei hat die Frage, ob und wie viel Schulden die Republik macht, wenig mit Ideologie zu tun und mehr mit Ökonomie und Hausverstand. Beides spricht für viel größere Budgetüberschüsse, als sie Finanzminister Hartwig Löger am Mittwoch wohl verkünden wird.

Wer die Arbeiten von John Maynard Keynes, auf denen moderne Fiskalpolitik beruht, richtig liest, weiß, dass Keynes Budgetdefizite nur bei einer Rezession empfiehlt, in Zeiten starker Konjunktur sollten die Schulden wieder abgebaut werden. Dank hoher Steuereinnahmen und geringer Arbeitslosenhilfe fällt das in solchen Phasen auch gar nicht schwer.

Doch diesen Rat haben Regierungen in Wien seit den 1970er-Jahren ignoriert. In schlechten Zeiten gab es große, in guten kleine Löcher im Haushalt, denn Geld zu verteilen ist populärer als zu sparen. Deshalb sind die Staatsschulden als Anteil des Bruttoinlandsprodukts ständig gestiegen – seit 2008 auf weit über 80 Prozent. Das ist zu hoch.

Stärker als heuer kann Österreichs Wirtschaft kaum wachsen. Wenn jetzt kein ordentlicher Überschuss zustande kommt, wann dann? Wie Experten betonen, müsste Löger dafür gar nicht sparen. Er dürfte nur nicht neue Steuerzuckerln wie den Familienbonus plus oder die Senkung der Umsatzsteuer für Hoteliers vergeben.

Befürworter einer Budgetsanierung, wie zuletzt auch Kardinal Christoph Schönborn, argumentieren gern mit der Generationengerechtigkeit. Kritiker antworten darauf, dass der Staat produktive Investitionen in Bildung, Forschung oder Infrastruktur sehr wohl mit Schulden finanzieren kann, denn davon profitieren die Kinder. Das mag für ein Entwicklungsland stimmen. Doch Österreich investiert seit 70 Jahren ständig in sein physisches und humanes Kapital. Die wirtschaftlichen Renditen daraus sollten für die Zukunft eigentlich reichen.

Der Hinweis, dass sich die Republik heute dank der Nullzinsen der EZB fast kostenlos verschulden kann, ist richtig. Aber irgendwann werden die Zinsen wieder steigen, und dann wächst die Belastung für Altschulden schnell an. Der italienische Staat muss jedes Jahr viel mehr an Steuern einheben, als er für Leistungen ausgeben darf. Diesen Primärüberschuss braucht er, um die gigantischen Schulden der 1970er-Jahre zu bedienen.

Das stärkste Argument für Schuldenabbau ist ein pragmatisches: Er schafft den Spielraum, zukünftige Rezessionen mit Defiziten wirksam zu bekämpfen. Doch dafür müssen nicht zwingend Sozialprogramme gekürzt werden; es geht auch über das Streichen von Förderungen, Sparen in der Verwaltung oder Erbschaftssteuern. Vernünftige Budgetpolitik trägt weder ein linkes noch ein rechtes Etikett. (Eric Frey, 19.3.2018)