Schluss. Pyeongchang hat es hinter sich. Vier Wochen nach den Olympischen Spielen wurden am Sonntag auch die Paralympics feierlich abgeschlossen. Die Fackel zieht weiter. Die freiwilligen Helfer können ihre Jacken und Funkgeräte in den Schrank hängen, die Shuttlebusse parken in der Remise. Der Skilift hinter dem Funktionärshotel nimmt für ein paar Wochen wieder den Betrieb auf. Der paralympische Tross zieht weiter, zurück nach Hause.

Wie vor jedem Großereignis war man um Reibungslosigkeit bemüht. So gar nicht reibungslos verlief aber zum Beispiel der erste Snowboardbewerb. Ein defektes Startgate sorgte für eine lange Verzögerung, Boarder Patrick Mayerhofer wurde nicht von der Strecke gewunken und absolvierte einen zusätzlichen Lauf. Am Startgate wurde mit Schraubenzieher und Gummiringerln hantiert – eher peinlich.

Petra Huber war mit der Organisation zufrieden.
Foto: ÖPC/Diener

"So etwas darf einfach nicht passieren", sagt Petra Huber, die Generalsekretärin des Österreichischen Paralympischen Kommittees (ÖPC). Während der Reparaturarbeiten wähnte man sich eher bei einem Schulskikurs am Semmering als bei einer der größten Sportveranstaltungen der Welt. Die TV-Übertragung blieb gnadenlos drauf. Verzweifelte Gesichter und gespannte Gummiringerln in der Nahaufnahme. Bei den Olympischen Spielen wäre das wohl ein Skandal geworden.

Organisation gut

Abgesehen davon aber zeigte man sich beim ÖPC zufrieden – zumindest organisatorisch. Huber: "Vor allem die Anreise war reibungslos. Bis jetzt war es noch nie der Fall, dass alle Athleten sofort ihr Gepäck und ihre Ausrüstung hatten. Sonst geht immer irgendetwas ab." Die Unterbringung im Dorf, die Verpflegung und die Betreuung haben "gut funktioniert".

Auch für die Athleten habe alles "im Großen und Ganzen geklappt", sagt Claudia Lösch. Österreichs erfolgreichste aktive Paralympics-Teilnehmerin und zweifache Medaillengewinnerin bei den Spielen 2018 sah aber auch an den Sportstätten Mängel: "Eine Gondelbahn für Paralympics-Rennen ist grundsätzlich keine gute Idee. Man nimmt damit vor allem den Rollstuhlfahrern die Möglichkeit, sich selbstständig zu bewegen."

Die Gondel sorgte für Aufregung.
Foto: ÖPC/Diener

Als Kompromisslösung wurde eine Kombibahn aus Sessellift und Gondel angeboten, für Monoskifahrer "waren dabei aber viel zu wenige Sessel, und die waren ohne Windschutz", sagt die 29-jährige Niederösterreicherin. Abhilfe sollten Skateboards mit Skibindungen schaffen, auf denen die Athleten in die Gondeln kommen. Lösch: " Aber auch davon gab es nicht annähernd genug." Die Wege zu den Wettkampfstätten seien zwar weit gewesen, aber gegen Ende hat "das Shuttlesystem dann gut funktioniert".

Parallel statt Paralyse

Das Para in Paralympics kommt aus dem Griechischen, bedeutet "neben, bei" – den Olympischen Spielen. Also mehr "parallel" und gar nicht "Paraylse". Seit den Sommerspielen 1988 in Seoul und den Winterspielen 1990 in Albertville finden an jedem olympischen Austragungsort auch Paralympics statt. Die Olympier und die Paralympier demonstrieren Partnerschaft und schielen auf Gleichschaltung. Erst in Pyeongchang wurde bekanntgegeben, dass die Kooperation bis 2032 verlängert wird. Wichtigster Bestandteil dabei ist, dass sich jeder olympische Gastgeber auch verpflichtet, Paralympics zu veranstalten. Auch für Huber ein Gewinn: "Das funktioniert gut und ist wichtig für die Bewegung. Es gibt zwar vereinzelte Stimmen, die sich dagegen wehren, aber eigentlich ziehen alle an einem Strang."

Sportlich lief es für das österreichische Team in Pyeongchang nicht nach Wunsch. In der Bilanz fehlt – und das ist besonders schmerzhaft – eine Goldene. Sieben Medaillen, die letzte aus Bronze am Schlusstag durch die sitzende Skiläuferin Heike Eder im Slalom, bedeuten Platz 22 in der Medaillenwertung, und das ist für ein Wintersportland wie Österreich zu wenig. In Sotschi 2014 waren es noch elf Mal Edelmetall, davon zwei in Gold, und Platz neun in der Endabrechnung gewesen. Stillstand oder Rückschritt wurden schonungslos aufgezeigt.

USA die Nummer eins

Mit den Nachbarverbänden aus Deutschland und der Schweiz teilte sich Österreich zumindest am Abend das sogenannte "Alpenhaus", das ein eigenständiges Österreichhaus ersetzte. Goldmedaillen wurden nur von den Mitbewohnern gefeiert. Zwar blieb auch das deutsche Team hinter den Erfolgen von Sotschi zurück – nur Rang fünf im Medaillenspiegel, den die USA mit 13 Goldenen, 15 Silbernen und achtmal Bronze anführt -, aber gerade das im Vergleich kleinere Team aus der Schweiz schoss mit drei Goldenen an Österreich vorbei. Im Alpenhaus durfte man mehr Beifall klatschen als ernten.

Im Alpenhaus wurden auf österreichischer Seite Silber- und Bonzemedaillen bejubelt. Hier die Edlingers.
Foto: ÖPC/Diener

Österreichs Behindertensport hat vor allem, und da sind sich Athleten, Funktionäre und Beobachter einig, ein Nachwuchsproblem. Es mangelt an Zielgruppenscouting, Information und fachgerecht ausgebildetem Trainerpersonal. Für die Athleten, die sich schon für den Spitzenbehindertensport entschieden haben, sind die Möglichkeiten nicht schlecht: Die Inklusion, also die Eingliederung in die Sportverbände, schreitet voran, die Aufnahme in den Heeresport war ein großer Schritt.

Dennoch: Behindertensport ist für potenzielle Nachwuchssportler eher nicht auf dem Radar. Beim Österreichischen Behinderten-Sportverband (ÖBSV) will man dem entgegenwirken: "Wir wollen sensibilisieren und weiterbilden und durch praktische Beispiele zeigen, wie wertvoll und vielfältig das Sportangebot für Menschen mit Behinderung ist", sagt ÖBSV-Präsidentin Brigitte Jank. Veranstaltungen wie die Para School Games, die im März in Wien stattfinden, aktivieren und sind in weiterer Folge eine Basis für den Spitzensport. Auch beim ÖPC soll das Scouting voranschreiten, sollen Kinder zum Sport finden. Wenn möglich, auch erfolgreich.

Claudia Lösch hat bei ihren letzten Spielen noch einmal abgeholt.
ÖPC/Diener

Aber auch für die Aktiven gibt es Nachholbedarf. Seitens des ÖPC verspricht man die Angleichung der Prämien an die olympischen Sportler. Zwar wurde in den vergangenen Jahren aufgeholt, dennoch ist eine paralympische Medaille nur rund die Hälfte einer olympischen Medaille wert. Besonders empfindlich trifft die Sportler auch das Werbeverbot bei den Spielen. Para-Athleten sind noch mehr auf Sponsoren angewiesen. Lösch schlägt in diese Kerbe: "Da schließe ich mich David Gleirscher an: Das Werbeverbot bei Paralympics trifft uns ungemein hart und ist in der Form nicht mehr zeitgemäß."

Straffung tut not

Überhaupt kämpfen die Paralympics auch um die öffentliche Aufmerksamkeit, die Berichterstattung ist im Vergleich zu den Olympischen Spielen bedeutend geringer. Das liege einerseits an den Medien selbst, andererseits aber auch am Wettkampfsystem: "Die Rennen sind viel zu lange, das ist für das Publikum mühsam. Man könnte die Qualitätskriterien verschärfen. Es besteht aber natürlich die Gefahr, dass man sich damit selbst die Basis an Athleten nimmt. Es ist schwierig."

Lösch wird in Peking nicht mehr dabei sein. Damit fehlt Österreich eines der bedeutendsten Gesichter des Behindertensports der vergangenen Jahre. Im Winter wird es um die Nachfolge etwas dünn, der sehbehinderten Langläuferin Carina Edlinger könnte der Alpinbonus abgehen, bei den Männern ist mit Markus Salcher, Thomas Grochar und Markus Gfatterhofer mehr Potenzial da. Im Sommer sind schon jetzt Sabine Weber-Treiber, Andreas Onea (beide Schwimmen) und Nico Langmann (Rollstuhl-Tennis) erfolgreich und öffentlichkeitswirksam. Mehr geht aber immer.

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Die letzte Goldmedaille ging an die USA.
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Die letzte Goldene der Paralympics in Pyeongchang wurde im Sledge-Eishockey vergeben. Das Team der USA feierte nach einem 2:1 über Kanada. Insgesamt holten die USA als erfolgreichste Nation 13 Gold-, 15 Silber- und acht Bronzemedaillen. (Andreas Hagenauer, 20.3.2018)