Dunkle Wände, blanke Birnen, laute Musik und sehr ernsthaft gute Küche: Das gibt es jetzt hinter der Mollardburg.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Steinbutt mit einer Sauce auf Portweinbasis und zitronigem Spinat.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der Akt an sich verlangt dem gelernten Wiener Respekt ab: Als Spitzenkoch mit Ambition in der Metropole des kulinarischen Konservativismus eine eigene Hütte aufzusperren, das haben in den vergangenen Jahrzehnten nur Markus Mraz (vor 27 Jahren) und in näherer Vergangenheit ein paar wagemutige Gesellen wie Konstantin Filippou, Oliver Lucas (Grace) oder Wolfgang Zankl (Pramerl) geschafft. Jetzt ist mit Fabian Günzel (zuvor "Das Loft" im Sofitel) einer dazugekommen. Sein Aend hat sich direkt hinter der berüchtigten Mollardburg beim Margaretengürtel eingeparkt und sieht in dieser für ein Fine-Dining-Restaurant doch überraschenden Gegend schon von außen aus wie ein exotisch funkelnder Solitär. Dafür gibt es Parkplätze, auch die U4 Margaretengürtel ist nur einen Spaziergang entfernt.

Innen wartet ein hell erleuchtetes, minimalistisch in Grau, Dunkelgrau und Grau gehaltenes Ensemble mit rohen Eichenbänken und -tischen samt "Relae"-Besteckladen, weit offener Küche und durchaus nicht leiser Musik. Es gibt nur ein Menü in sieben oder fünf Gängen, mittags (!) wie abends. Und, ganz wesentlich, den herausragenden Sommelier Simon Schubert, der zuletzt vier Jahre bei Mraz und davor im Coburg werkte.

Klassik der feinen Küche

Kaum dass man zum Sitzen kommt, steht schon der erste Happen auf dem Tisch. So mag man das in den Fresstempeln der neueren Schule. Nach zwei Stunden und einem Stakkato kleiner Snacks und Gänge (zu explizit happigen Preisen) werden bereits Espresso samt Petits Fours gereicht. Was dazwischen war: Minimal dekorierte Köstlichkeiten, die an einem so ungewöhnlichen Ort (und exekutiert von einem so tätowierten Koch) zuerst einmal durch ihr Bekenntnis zur Klassik der feinen Küche überraschen. Günzel hat bei deutschen Dreisternern gelernt – und die kochen mitunter französischer als die Originale. Am eigenen Herd tut Günzel das auch, verzichtet aber auf Tatütata auf dem Teller, auch die Pinzette hat zur Abwechslung Pause: zwei, drei Komponenten, reduziert angerichtet, im Idealfall mit einer am Gaumen klar erkennbaren Idee dahinter. Das ist doch sehr ermutigend.

Der erste Gang, ein Hauch von einem Seufzer roh marinierter Entenstopfleber auf roten Rüben und Himbeeressig, mag zwar auf einer seltsam rauen Betonfliese serviert werden, das Geschmacksbild aber erzählt mit fettem Schmelz, zarter Süße und hintergründiger Bitterkeit exakt von dem, was die Haute Cuisine an Foie gras so liebt. Umso ungewöhnlicher ist der Wein, den Schubert dazu serviert: Perciso, ein Lambrusco aus Trient, der knochentrocken, mit saftiger Kraft genau jene Würze und Säure beisteuert, die dem Gericht den nötigen Wind unter die Flügel bläst.

Rully, Rully

Ähnlich zielsicher ist auch die Wahl zum nächsten Teller, einem schaumig confierten Saibling mit Rucola-Beurre-blanc und dicht gestreuten Murmeln vom Saiblingskaviar obendrauf. Der Rully von Dureuil-Janthial teilt den nussigen Butterschwall der Sauce, als wär's das Rote Meer. Das können sie in der Bourgogne.

Steinbutt mit einer abermals üppig gebutterten, in jeder Hinsicht geilen Sauce auf Portweinbasis und zitronigem Spinat (siehe Bild), ist der Teller des Abends: Der Fisch forsch gegrillt, die Sauce dicht und in Verbindung mit den sauren Blättern erst recht unwiderstehlich. Ein paar Spielereien müssen bei aller Ernsthaftigkeit sein: Erdäpfelschaum mit schwarzem, offenbar mit Vanille aromatisiertem Salz zum Beispiel, in den Günzel eine Nocke obersdichten Kürbiseises versenkt. Oder explosiv aromatisches Basilikumsorbet, das mit einer Creme aus Kondensmilch und Brioche-Bröseln kombiniert wird und einen beinahe beschwingt in den noch jungen Abend entlässt. (Severin Corti, RONDO, 23.3.2018)

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