Ein Getümmel von Ichthyosauriern – fast eine Metapher für die gleichermaßen unübersichtliche Lage bei der Interpretation von Fossilien.
Illustration: James McKay

Manchester/Brockport – Paläontologen entfallen im Wesentlichen auf zwei Lager, berichten Forscher um Dean Lomax von der Universität Manchester im "Geological Magazine": "Splitter" neigen dazu, aufgrund kleiner anatomischer Unterschiede zwischen zwei Individuen von zwei verschiedenen Arten zu sprechen. "Lumper" hingegen versuchen, möglichst viele ähnliche Exemplare unter dem Dach einer einzigen Art zu versammeln.

Lomax und seine Kollegin Judy Massare von der State University of New York dürften eher letzterem Lager zuzurechnen sein. Sie mahnen jedenfalls dazu, dass Forscher bei der Benennung von (möglicherweise) neuen Spezies mit Bedacht vorgehen sollten.

Basis ihres Befunds ist die Untersuchung von hunderten Fossilien des Ichthyosaurus, des bekanntesten Fischsauriers aus dem frühen Erdmittelalter. Sie konzentrierten sich dabei auf die hinteren Paddelflossen der Tiere und stießen auf eine beträchtliche Formen- und Größenvielfalt.

Bei diesem Fossil aus dem Niedersächsischen Landesmuseum galt wie bei allen anderen das Hauptinteresse den hinteren Paddelflossen.
Foto: Niedersächsisches Landesmuseum

Die daraus abgeleitete Erkenntnis: Diese Flossen reichen als Merkmal nicht aus, um eine Art zu definieren, dafür sei die individuelle Bandbreite einfach zu groß. Würde man nur eine fossilierte Flosse ohne den restlichen Körper finden, könnte das leicht zur Bestimmung einer "neuen" Art mit vermeintlich einzigartigem Merkmal führen. Der Gattung Ichthyosaurus werden bislang sechs Arten zugeordnet – die beiden Forscher rekapitulieren, dass sie daraus 30 Arten machen könnten, alle mit "einzigartigen" Flossen.

Die Gefahr, Arten zu definieren, die es gar nicht gab, sei besonders groß, wenn nur wenige und bruchstückhafte Exemplare vorliegen. Erst bei einem viel größeren Sample lasse sich der Faktor individuelle Variation einschätzen.

Trügerische Fülle

Die unterschiedlichen Perspektiven von Lumpern und Splittern haben in der jüngeren Vergangenheit zu einigen Diskussionen geführt, die auch über die Fachwelt hinausgedrungen sind. Bekannte Beispiele wären die Frage, ob es sich bei Triceratops und Torosaurus um dieselbe Spezies handelte oder ob der Nanotyrannus nur ein Jugendstadium von Tyrannosaurus rex war.

Lomax und Massare verweisen zudem auf die recht chaotischen Verhältnisse, die während des großen Fossilien-Booms im 19. Jahrhundert herrschten: Damals habe man jedes neuausgegrabene Fossil gleich einer neuen Spezies zugeschrieben, wenn es sich auch nur ein bisschen von einem bereits bekannten unterschied. Die Folge war ein Wildwuchs von Bezeichnungen für ein- und dasselbe Tier, was Taxonomen späterer Jahre zu langen Aufräumarbeiten zwang. (jdo, 26. 3. 2018)