Wien – Der Prozess gegen Patrik D. ist einer jener Fälle, bei denen man nicht genau weiß, ob man fassungslos oder eher belustigt sein soll. Auch Richter Daniel Potmesil und Staatsanwältin Alexandra Müller scheinen zu schwanken, als sie im Laufe des Verfahrens Einblick in die Lebensrealitäten in Wien-Favoriten bekommen.

D. ist vierfach vorbestraft, das erste Mal saß der 20-Jährige mit 15 wegen Vergewaltigung acht Monate im Gefängnis. Heute sitzt er wegen Körperverletzung, Nötigung, gefährlicher Drohung und Sachbeschädigung hier, bei einer Verurteilung droht auch der Widerruf von zweieinhalb Jahren offener Vorstrafen.

Alle der nun angeklagten Delikte von 2017 drehen sich um die Beziehung zu seiner Freundin. Seiner ersten, wie der Arbeitslose sagt: Natascha R., 43 Jahre, zwei Kinder und Autobesitzerin. Der Wagen scheint der Hauptleidtragende der Partnerschaft zu sein. D. hat schon beide Außenspiegel und eine Tür beschädigt, auch sonst droht er immer wieder, das Fahrzeug "zu demolieren".

ADHS als Entschuldigung für "Auszucker"

D. bietet aber eine Entschuldigung für sein Verhalten: "Ich leide an ADHS", betont er. "Das führt aber normalerweise nicht dazu, dass man Sachen kaputtmacht", merkt der Richter an. "Ja, aber ich zucke deshalb immer aus", ist der Angeklagte überzeugt. "Wie würden Sie Ihre Beziehung beschreiben?", will Potmesil wissen. "Jetzt besser als früher." – "Und wie war sie früher, also 2017?" – "Scheiße." – "Und warum trennen Sie sich nicht?" – "Das ist schwer zu erklären."

Auch Natascha R. kann keine Antwort geben. "Warum tun Sie sich das überhaupt noch an?", fragt Anklägerin Müller die Zeugin. "Es war im Februar eine Verhandlung wegen einem Außenspiegel." – "Das war jetzt keine Antwort." – "Seit einem Monat fruchtet die Therapie." An Teile der Vorfälle kann sich R. gar nicht mehr erinnern, beispielsweise die auf der Straße im Gehen gebrüllte Drohung: "Jetzt bring ich euch alle um." Erst auf Potmesils Nachbohren bestätigt sie, D. habe "das einmal erwähnt".

"I stich di o, du blade Sau"

Ein 63-jähriger Nachbar, der D. nach einer Sachbeschädigung zur Rede gestellt und von diesem mit "I stich di o, du blade Sau" bedroht wurde, bricht eine Lanze für den 20-Jährigen. "Er is a Gachzurniger. A Häferl hoid, wia ma auf Deitsch sogt", meint der Exboxer, man dürfe das nicht ernst nehmen.

"Vielleicht ist die Beziehung nicht die richtige, wenn Sie jemand immer so in Rage bringt?", erlaubt sich Müller einen Tipp an den Angeklagten. Potmesil stimmt zu, spricht D. aber nicht rechtskräftig von den meisten Vorwürfen frei und verzichtet wegen des Außenspiegels auf eine Zusatzstrafe zum Urteil im Februar. (Michael Möseneder, 21.3.2018)