Das AMS braucht Unterstützung bei der Vermittlung von Migranten: Wegschauen und Weiterwursteln ist keine Strategie.

Foto: APA / Schlager

Es ist ein gefundenes Fressen für all jene, die sowieso immer schon gegen "die Ausländer" waren. Gemeint ist jener 50-seitige interne Bericht des Arbeitsmarktservice (AMS), in dem jene Punkte aufgelistet sind, die es AMS-Mitarbeitern schwermachen, Migranten und Migrantinnen Arbeitsstellen zu vermitteln.

Die Mitarbeiter beschreiben darin ihren Arbeitsalltag und die brennenden Fragen, die dabei offenbar häufig auftauchen: Soll man einer Kundin raten, ihr Kopftuch in der Arbeit abzulegen? Soll man ihr offen sagen, dass sie leider, leider, wenn sie ihre Vollverschleierung nicht aufgibt, wohl kaum einen Job finden wird?

Interner Gebrauch

Wie soll man jemanden vermitteln, der kaum Deutsch spricht und schon zum Beratungsgespräch Familienangehörige als Dolmetscher mitbringt? Was tun mit Männern (vornehmlich offenbar aus Tschetschenien stammend), die eine Anstellung im Facility-Management ablehnen, weil sie Putzen für Frauensache halten? Was tun, wenn man als Betreuer bemerkt, dass Väter und Ehemänner die Integration muslimischer Frauen aktiv behindern?

All das findet sich in dem Bericht, er war, wie erwähnt, für den internen Gebrauch bestimmt, und AMS-Chef Johannes Kopf ärgert sich, dass er den Medien zugespielt wurde. Er fürchtet wohl, dass aus der guten Absicht ("Wir wollten dort näher hinschauen, um Dinge besser zu machen"), sehr viele, weniger gute, Schlagzeilen werden.

Primäres Interesse

Wenn man die Dinge nüchtern betrachtet, tut sich aber vielleicht gerade durch die vorzeitige Veröffentlichung eine Chance auf. Das AMS und sein Chef haben ein primäres Interesse: Arbeitslose Menschen sollen so gut und so schnell wie möglich zu einem neuen Job kommen. Von seiner Grundbestimmung her ist das Arbeitsmarktservice dann erfolgreich, wenn Menschen wieder einen Job finden – und am besten auch möglichst lange behalten.

Wenn das bei einer bestimmten Gruppe von Arbeitslosen nicht und nicht gelingen will, dann hat das AMS ein Problem – und es braucht dabei Unterstützung. Nicht anders sollte man den Bericht lesen. Er ist sehr klar in seinem Befund.

Was läuft schief?

Dann stellt sich die Frage: Was läuft eigentlich schief, und was tun wir dagegen?

Warum dulden wir, dass Frauen, die sich integrieren wollen, von ihren Männern, Vätern et cetera daran gehindert werden? Integration ist schließlich kein Privatvergnügen, sondern eine Verpflichtung.

Was tun, wenn einer einen Job ablehnt, weil er der Ansicht ist, Putzen sei Frauensache? Oder aus religiösen Gründen, weil er etwa nicht mit Alkohol in Berührung kommen möchte?

Darüber hinweggehen und ihm einen neuen Job anbieten?

Wie gehen wir schließlich damit um, wenn Frauen keinen Job finden, weil sie Kopftuch tragen und viele Arbeitgeber das schlicht und einfach nicht tolerieren? Soll man "Aufklärungsarbeit" bei den Arbeitgebern leisten (die Frage ist, ob Aufwand und Erfolg in irgendeinem Verhältnis stehen), DARF man einfach ansprechen, dass das Kopftuch ein Problem sein könnte?

Was tun wir dagegen?

Bedenkenswert ist ja auch, dass mittlerweile fast jedes größere Unternehmen, das auf sich hält, einen Diversity-Management-Plan hat (haben muss). Dennoch ändert das wenig bis nichts an den großen Problemzonen auf dem Arbeitsmarkt. Bildungswissenschafter Norbert Pauser hat bereits vor zwei Jahren im STANDARD darauf hingewiesen, dass "das Kopftuch" eine Projektion ist – und dass die Debatten darüber enden, wo sie eigentlich erst beginnen sollten.

Man sollte beispielsweise endlich damit beginnen, genau hinzuschauen, die Probleme sachlich anzusprechen – ohne dabei die Ausländer- und Muslimenfeindlichkeitskarte zu spielen. Und der Staat muss klarmachen, was geht und was nicht geht.

Es geht zum Beispiel nicht, dass sich der Beitrag der muslimisch-migrantischen Community-Vertreter oft darauf beschränkt, die Diskriminierung "ihrer" Leute anzuprangern – aber viel zu wenig selbst dafür zu tun, dass junge Männer ihr Machodenken und -Gehabe ablegen. Frauen müssen in ihren Integrations- und in ihren Selbstständigkeitsbestrebungen unterstützt, nicht behindert werden. Ihnen muss geholfen werden, statt dass patriarchalisch-archaische "Werte" weitergepflegt werden.

Verschiedene Wege

Damit das Staatsziel Integration – und damit auch eine leichtere Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt – erreicht wird, kann man verschiedene Wege gehen. Man kann Druck ausüben, strafen, kürzen. Das allein wird nicht helfen und, im Gegenteil, in einigen Fällen noch größere Not, noch prekärere Verhältnisse schaffen.

Man kann gut zureden, fördern, sozial abfedern. Das allein wird nicht helfen und, im Gegenteil, in einigen Fällen dazu führen, dass sich Menschen auf Sozialleistungen ausruhen und nie mehr fit für den Arbeitsmarkt werden.

Man kann eine Kombination probieren und denen, die sich integrieren wollen und sich anstrengen, alle Möglichkeiten dafür in die Hand geben. Sie fördern, in sie investieren, ihnen eine selbstbestimmte Zukunft ermöglichen. Dann muss man aber jene, die solche Angebote grundsätzlich ausschlagen, hart sanktionieren.

Was man gar nicht mehr kann: sich nicht damit auseinandersetzen, derweil die Ausländerfeindlichkeit blühen lassen und das Problem mehr schlecht als recht verwalten. Das AMS hat das klarerkannt. (Petra Stuiber, 22.3.2018)