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Die "Propagandamaschine" Cambridge Analytica soll illegal Facebook-Daten missbraucht haben

Foto: Reuters/Roberts

Man könnte ja ein paar "hübsche" ukrainische Mädchen bei einem politischen Konkurrenten vorbeischicken und Informationen darüber dann im Netz verbreiten, schlägt Cambridge-Analytica-Chef Alexander Nix seinem Gegenüber vor. Was Nix nicht weiß: Er sitzt nicht mit einem Politberater aus Sri Lanka zusammen, sondern mit einem Journalisten des britischen Channel 4, der undercover mitfilmt. Sein Bericht über illegale Praktiken bei Cambridge Analytica bringt die Firma, die laut eigenen Angaben Donald Trump zu seinem Wahlsieg verholfen hat, in weitere Turbulenzen. Die fünf Jahre alte Firma wird nun auf beiden Seiten des Atlantiks wegen des Missbrauchs von Facebook-Nutzerdaten untersucht.

1. Big Data für Kriege

1993 Die Strategic Communication Laboratis Group (SCL) wird in London gegründet. Sie baut sich binnen der nächsten Jahre einen Ruf bei Militäreinheiten und Geheimdiensten auf. In den Medien wird über Verbindungen zu Oligarchen und zwielichtigen Investoren aus der Rüstungsbranche spekuliert.

2003 Der Finanzanalyst Alexander Nix heuert bei SCL an, er wird Leiter der Abteilung für politische Wahlen.

2008 Der Psychologieprofessor Michal Kosinski forscht an der Cambridge University an einer Methode, Nutzer von Facebook und Smartphones über verschiedene Merkmale bestimmten Kategorien zuzuordnen. Die Onlinefußspuren von Usern sollen sich besser zu deren Analyse eignen als Aussagen von Freunden.

2013 SCL gründet das Tochterunternehmen Cambridge Analytica. Der Name spielt auf den bisherigen Arbeitsplatz vieler Mitarbeiter an, die an der Cambridge University mit Kosinski forschten. Das Unternehmen will dessen Forschungsergebnisse nutzen, um zielgerichtete Onlinewerbung schalten zu können.

2014 Cambridge Analytica kommt erstmals bei Wahlen in den USA zum Einsatz. Insgesamt 44 Kampagnen setzen auf die Dienste der britischen Firma. Dabei handelt es sich um Wahlen zum Kongress, dem Senat und auf bundesstaatlicher Ebene. Der rechtsextreme Politikberater und Medienmacher Steve Bannon tritt dem Boards of Directors der Firma bei.

Juli bis August 2014 Der Psychologieprofessor Aleksandr Kogan, der auch von der russischen Regierung Fördergelder erhielt, sammelt über eine "Umfrage-App" Daten von bis zu 50 Millionen Facebook-Nutzern. 270.000 User nutzen sie, beim Rest handelt es sich um deren Freunde auf der Plattform. Gesammelt werden etwa private Nachrichten, "Gefällt mir" -Angaben und Kommentare. Diese Daten gelangen später zu Cambridge Analytica – wie das geschah, wird momentan noch untersucht.

2015 Facebook entdeckt, dass Kogan Daten zu Millionen Nutzern gesammelt hat, unternimmt aber nichts dagegen.

2. Trumps Kampagne

2015 Cambridge Analytica soll mithelfen, bei den Vorwahlen der US-Republikaner den Senator Ted Cruz zum Präsidentschaftskandidaten zu machen. Der US-Milliardär Robert Mercer, der in CambridgeAnalytica investiert hat, setzt zu diesem Zeitpunkt noch auf Cruz und unterstützt diesen finanziell. Auch Cruz' Konkurrent Ben Carson nimmt die Dienste von Cambridge Analytica in Anspruch.

Mai 2016 Nachdem Ted Cruz aus dem Rennen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur ausscheidet, beginnt Mercer, Donald Trump zu unterstützen. Cambridge Analytica folgt den Mercers.

Juni 2016 Die britische Bevölkerung entscheidet sich für einen Austritt aus der EU. Der Guardian behauptet, bei der Kampagne für einen sogenannten Brexit habe Cambridge Analytica mitgeholfen. Das Unternehmen bestreitet das und geht momentan juristisch gegen derartige Berichte vor.

Herbst 2016 Cambrige-Analytica-Chef Alexander Nix nimmt Kontakt mit Wikileaks-Gründer Julian Assange auf. Er will wissen, ob Wikileaks im Besitz von E-Mails von Trumps Gegnerin Hillary Clinton ist.

8. November 2016 Trump entscheidet überraschend die US-Präsidentschaftswahlen für sich. Später werden Trump-Mitarbeiter den Anteil von Cambridge Analytica daran als "bescheiden" bezeichnen. Doch die Firma soll laut Medienberichten "Seite an Seite" mit Vertretern von Facebook, Google und Twitter gearbeitet haben.

Mai 2017 Der US-Kongress untersucht Cambridge Analytica im Zusammenhang mit russischer Propaganda, die zum Sieg Donald Trumps beigetragen haben soll.

4. August 2017 Trumps einstiger nationaler Sicherheitsberater Michael Flynn gibt zu, dass er Berater von Cambridge Analytica gewesen ist.

Herbst 2017 Sonderermittler Robert Mueller beschlagnahmt E-Mails von Cambridge Analytica zur Trump-Kampagne.

3. Der Whistleblower

2017 Der Cambridge-Analytica-Mitarbeiter Christopher Wylie, der seit 2013 bei SCL tätig ist, nimmt Kontakt zur britischen Journalistin Carole Cadwalladr auf. Immer wieder versorgt er sie mit internen Informationen aus der "Propagandamaschine".

Herbst 2017 Cambridge-Analytica-Chef Alexander Nix wirbt auf Konferenzen und in Pressegesprächen für sein Unternehmen, das Trump mit Datenanalysen "zum Wahlsieg verholfen haben soll".

17. März 2018 Christopher Wylie wird endgültig zum Whistleblower. In der New York Times und dem Observer berichtet er, dass Cambridge Analytica über 50 Millionen Facebook-Profile ausgewertet habe. Facebook sperrt das Unternehmen als Reaktion.

18. März 2018 Facebook blockiert auch das Profil von Whistleblower Wylie. Der erklärt währenddessen, dass Steve Bannon in die wohl illegale Datenauswertung involviert war (Bannon bestreitet das). Der US-Demokrat Adam Schiff kündigt an, der US-Kongress werde sich erneut mit Cambridge Analytica beschäftigen.

19. März 2018 Der britische Channel 4 zeigt undercover gefilmte Aufnahmen von Cambridge Analytica-Chef Nix. Dort prahlt er damit, Wahlen mit schmutzigen Tricks beeinflussen zu können. Als Beispiel nennt er den Einsatz von Prostituierten, die politische Gegner verführen könnten.

20. März 2018 Englische Behörden wollen die Zentrale von Cambridge Analytica durchsuchen. Facebook war bereits dort, um eigene Untersuchungen anzustellen. Der Aktienkurs des sozialen Netzwerks sinkt zeitweise um 6,77 Prozent, fängt sich dann bei einem Minus von 2,56 Prozent; der Sicherheitschef Alex Stamos wird versetzt. Ehemalige Mitarbeiter behaupten, dass die Sammlung von geheimen Daten auf Facebook für "viele Unternehmen Routine" wäre, das soziale Netzwerk aber nichts dagegen unternehme. Am Abend wird CEO Alexander Nix vom Aufsichtsrat mit sofortiger Wirkung suspendiert. (fsc, muz, sem, apo, 21.3.2018)