Wladimir Putin feierte am Sonntag seinen wenig überraschenden Sieg.

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Die russische Wahlkommission verkündet das Wahlergebnis. Neben Putin traten weitere sieben Kandidaten an.

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Zur Person: Michael Georg Link leitete die OSZE-Wahlbeobachtungsmission bei den russischen Präsidentschaftswahlen und ist FDP-Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Zuvor war er als Staatsminister im Auswärtigen Amt tätig und Direktor des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (ODIHR).

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Das allergrößte Problem der jüngsten Präsidentenwahl in Russland, sagt Michael Link im STANDARD-Interview, habe allein schon darin bestanden, dass sie "von Anfang an ein Schaulaufen des Amtsinhabers und kein echter Wettbewerb zwischen den Kandidaten" gewesen sei. "Der Amtsinhaber nahm nicht an Debatten mit den anderen Bewerbern teil und profitierte von einer unkritischen Berichterstattung in den staatsnahen, reichweitenstarken Medien." Mögliche starke Gegenkandidaten wurden frühzeitig nicht zur Wahl zugelassen, die Chancengleichheit der Kandidaten blieb dabei auf der Strecke.

Der Deutsche Michael Link hat die Wahlbeobachtungsmission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zur Präsidentschaftswahl in Russland geleitet. Mit mehr als 500 Beobachtern war es ihr bislang größter dortiger Einsatz. Am Dienstagnachmittag kehrte Link zurück nach Berlin, wo er Abgeordneter der FDP im Deutschen Bundestag ist.

Die Wahl, deren strahlender Sieger von vornherein feststand, wurde "mangels aussichtsreicher Gegenkandidaten de facto zur Volksabstimmung über den Amtsinhaber", wie es Michael Link formuliert. Wladimir Putin sicherte sich am Sonntag mit über 76 Prozent – einem neuen Rekordwert – eine weitere Amtszeit im Kreml, seine vierte. Sein stärkster Herausforderer, der Kommunist Pawel Grudinin, kam noch nicht einmal auf zwölf Prozent.

Als wichtiger Indikator für Präsident Putins Rückhalt in der Bevölkerung galt im Vorfeld also die Höhe der Wahlbeteiligung. Deshalb ließen sich die Behörden auch einiges einfallen, um die Beteiligung in die Höhe zu treiben. "Es gab massiven Druck, wählen zu gehen", hält der Leiter der OSZE-Beobachtermission fest.

Hochgetriebene Wahlbeteiligung

So gab es Essen und Preise für die besten Selfies im Wahllokal. Auch weniger harmlose Methoden kamen zum Einsatz: Mitarbeiter der städtischen Büros gingen in den Wochen zuvor von Tür zu Tür, um die Bürger zur Teilnahme zu bewegen, Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes wurden vielfach regelrecht gedrängt, am Arbeitsplatz abzustimmen, Studierenden wurde mit negativen Konsequenzen gedroht, sollten sie nicht zur Abstimmung schreiten. "An sich ist es natürlich gut, wenn viele Menschen zur Wahl gehen", sagt Link. "Dies darf aber nicht durch Druck erzwungen werden, zum Beispiel indem der Arbeitgeber ein Handyfoto des ausgefüllten Wahlzettels einfordert."

Am Ende lag die Wahlbeteiligung bei rund 67 Prozent, was nicht ganz die Erwartungen der Kreml-Strategen erfüllte: 70 Prozent waren in den Wochen inoffiziell als Ziel gesetzt worden, zuletzt wurde die Zahl dann doch auf 65 Prozent heruntergeschraubt.

Zwar gab es zahlreiche Berichte über Wahlfälschungen, Michael Link aber glaubt nicht, dass diese die Abstimmung beeinflusst haben: "Der Wahltag selbst verlief – soweit wir dies erkennen konnten – in weitgehend geordneten Bahnen", was insbesondere der effizienten Aufsicht der Zentralen Wahlkommission zu verdanken sei. Die eigentlichen Einschränkungen hätten eben "lange vor dem Wahltag" stattgefunden.

"Hohe Glaubwürdigkeit"

Welchen Sinn machen also Überprüfungen von Wahlen überhaupt, wenn diese im Voraus schon derart verzerrt sind, wenn Gegenkandidaturen erheblich erschwert bis verunmöglicht werden? Michael Link sagt, es sei "unglaublich wichtig", dass "die internationale Gemeinschaft mithilfe der OSZE-Wahlbeobachter alle sechs Jahre mit unabhängiger und unparteiischer Brille auf die Präsidentschaftswahlen schaut".

Die OSZE beobachte jede Wahl mit derselben Methode, egal ob Russland, die USA oder Italien, "was unseren Berichten natürlich eine hohe Glaubwürdigkeit verleiht". Die Beobachter zeichneten "ein genaues Bild davon, wie Staaten internationale demokratische Standards einhalten". Die Schlussbericht sollen Staaten als Hilfe dienen, ihre Wahlen noch weiter zu professionalisieren. "Gleichzeitig können unsere Ergebnisse natürlich auch klaren Druck zur Veränderung erzeugen, wenn sie eindeutige Verstöße aufdecken."

Die Beobachtermission liefert die Grundlage. Die Reaktionen auf den Bericht aber, sagt der Missionsleiter, "müssen nun von anderen Regierungen kommen, denen unsere Berichte ja zur Verfügung stehen". Regierungen, "gerade auch die von einem Rechtsstaat wie Österreich, sollten in ihren Gesprächen mit Moskau immer wieder auf die Einhaltung von Menschenrechten und demokratischen Standards bestehen".

Was besser und was schlechter wurde

Hat es bisher bereits Konsequenzen gegeben? Was unterscheidet diese Wahl von jener im Jahr 2012 oder den Wahlen zuvor in Russland? Seit dem Votum vor vier Jahren seien "eine ganze Reihe von Gesetzesänderungen umgesetzt worden", sagt Link. Einige davon nahmen erfreulicherweise Empfehlungen des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (ODIHR) auf, als dessen Direktor Link fungiert hat.

Allerdings: "Leider wurden aber auch Gesetze verabschiedet, die die Grundrechte der russischen Bürgerinnen und Bürger einschränken", so Link. "Besonders schwerwiegend ist, dass Gerichtsurteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte jetzt weitestgehend ignoriert werden können."

Die Duma-Wahl im Jahr 2015 hat der FDPler Link als Chef von ODIHR mitbeobachtet. Die Durchführung der Abstimmung am Wahltag befand er als "gut". Probleme hätte es aber auch damals im Bereich der Chancengleichheit unter den politischen Parteien gegen. Unabhängige Journalisten und zivilgesellschaftliche, nationale Wahlbeobachter hätten ihrer Arbeit nur eingeschränkt nachgehen können. "Leider ist der Druck auf kritische und unabhängige Stimmen in Medien und Zivilgesellschaft weiterhin sehr stark", sagt Link dem STANDARD. Als positiv hebt er hervor, dass die Beobachter der OSZE zahlenmäßig aufgestockt werden konnten. (Anna Giulia Fink, 21.3.2018)