Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) bei der Präsentation der polizeilichen Kriminalstatistik.

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Natürlich ist jede einzelne Straftat eine zu viel. Jeder einzelne Wohnungseinbruch ist ein tiefer Eingriff in die Privatsphäre. Jede sexuelle Belästigung beeinträchtigt das Selbstvertrauen des Opfers – oder zerstört es gar. Jeder Internetbetrug kann Existenzen ruinieren. Trotzdem: Im Lichte der Kriminalstatistik, die die Anzeigen des Jahres 2017 auflistet und zum Teil analysiert, ist Österreich ein in vielen Bereichen zunehmend sicheres Land.

Das beginnt bei der Zahl der Anzeigen insgesamt, die 2017 im Vergleich zum Jahr davor um 5,1 Prozent zurückgegangen sind. Und das setzt sich fort in Gestalt einer auf mehr als die Hälfte aller angezeigten Straftaten gestiegenen Aufklärungsquote. Dies wird unterstrichen durch ein Zehnjahrestief bei Wohnraumeinbrüchen und Kfz-Diebstählen – also just bei Delikten, die um die Jahrtausendwende vor allem im Osten des Bundesgebiets so stark zunahmen, dass der damalige Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) unter Druck geriet.

Zwar war 2017 in manchen Kriminalitätsbereichen auch ein Anzeigenplus zu verzeichnen. So gab es etwa bundesweit 54 vollendete Tötungsdelikte: um acht Fälle mehr als 2016. Sorgen machten – und machen – Polizei und Staatsanwaltschaften aber vor allem Anzeigen von Cybercrime-Delikten, deren Zahl 2017 auf 16.804 stieg: ein Plus von beachtlichen 28,3 Prozent. Doch alles in allem ist Österreich kein Land, in dem das Verbrechen floriert – auch wenn ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung das nicht nachvollziehen kann.

Da ist – etwa in Foren oder sozialen Medien – von Vertuschung der tatsächlichen Zustände die Rede, und viele glauben das auch. Da werden Einzelbereiche in den Vordergrund gerückt und zum Anlass für allgemeine Klagen über zunehmende Bedrohungen genommen, vor allem durch Ausländer. So etwa der Umstand, dass seit 2015 Gewaltdelikte zunehmend unter Verwendung von Messern, Schraubenziehern und ähnlichen Waffen ausgeführt werden, am häufigsten von afghanischen Staatsbürgern, gefolgt von Türken und Irakern.

Zwar ist die Zahl solcher Übergriffe zwischen 2016 und 2017 auch wieder etwas gesunken. Doch hier – das ist klar – gibt es ein Problem, dem man in einem ersten Schritt am besten durch präzise Analyse begegnen sollte. So greifen laut Kriminalstatistik auch immer mehr gewalttätige Inländer zum Messer, etwa im Rahmen von Beziehungstaten. In den vergangenen zehn Jahren hat sich deren Zahl vervierfacht.

Eine solche Präzisierung ist vor allem deshalb unverzichtbar, weil in Sachen Kriminalitätsentwicklung kräftig manipuliert wird, auch von Playern mit viel Einfluss auf die öffentliche Meinung. So etwa, wenn die Kronen Zeitung am Donnerstag von einem "starken Anstieg" bei "Sexattacken" auf "4700" Fälle im Jahr 2017 schrieb und dabei Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) zitierte, der das "massive" Plus mit der "Migrationswelle 2015" in Verbindung brachte. Da denkt man sofort an Übergriffe durch Flüchtlinge an öffentlichen Plätzen.

Was diese Berichterstattung unterschlägt: Eine Steigerung "strafbarer Handlungen gegen die sexuelle Integrität" gab es 2017 zwar auch im öffentlichen Raum – aber noch viel mehr im Internet. Dort sind wohl weniger afghanische Sexualübergriffverdächtige unterwegs als – wie es in der Kriminalstatistik heißt – "oftmals jugendliche und auch weibliche Täter". Die ganze Wahrheit steckt eben im Detail. (Irene Brickner, 22.3.2018)