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Will unbedingt in den Sessel des Regierungschefs: Luigi Di Maio.

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Er bezirzt deswegen den Chef der rechten Lega, Matteo Salvini.

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Knapp drei Wochen nach den Parlamentswahlen tritt das neue italienische Parlament heute, Freitag, zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Es muss die Präsidenten der beiden Parlamentskammern – des Senats und der Abgeordnetenkammer – bestimmen. Das wäre weiter nicht besonders spannend, doch für die Wahl der beiden Präsidenten werden bereits erste Absprachen unter den Parteien erforderlich sein – und diese könnten zur Blaupause für die künftige Regierungskoalition werden. In Rom sorgt die bevorstehende Kür der beiden Präsidenten unter den Parteien deshalb schon seit Tagen für abenteuerlichste Spekulationen und fintenreiche Politmanöver.

Zur Erinnerung: Bei den Parlamentswahlen vom 4. März hat es zwei Sieger gegeben; aber keinen, der ohne fremde Hilfe regieren könnte. Die größte Zahl von Parlamentariern stellen die "Grillini": Im Senat kommen die neuen Abgeordneten der Fünf-Sterne-Bewegung des Exsatirikers Beppe Grillo (daher ihr Spitzname) auf 112 der 315 Sitze, im Abgeordnetenhaus auf 227 von 630 Sitzen.

Der zweite Sieger war Lega-Chef Matteo Salvini, dessen rechtspopulistische Partei zwar deutlich weniger Stimmen und Sitze erzielte als Grillos Protestbewegung, der aber im Mitte-rechts-Lager den vierfachen Expremier Silvio Berlusconi als Leader abgelöst hat. Mit 132 Sitzen im Senat und 261 Sitzen in der Abgeordnetenkammer stellen die Mitte-rechts-Parteien die größte Fraktion im Parlament.

Die Mitte-links-Partei Partito Democratico (PD) des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni kommt nach einem Wahldebakel historischen Ausmaßes nur noch auf 54 Senatoren und 112 Abgeordnete. Deren Parteichef, Expremier Matteo Renzi, hatte nach dem Wahlfiasko umgehend klargemacht, dass seine Partei für keinerlei Koalitionen zur Verfügung stehe und in die Opposition gehe.

Partito Democratico ziert sich

Beinahe zwangsläufig kam es in der Folge zu einem intensiven Flirt zwischen den beiden relativen Wahlsiegern – also zwischen dem Spitzenkandidaten der Grillini, Luigi Di Maio, und Lega-Chef Salvini. Die beiden Jungpolitiker, 31 der eine, 44 der andere, verstehen sich auf der persönlichen Ebene bestens: Beide haben weder einen Beruf erlernt noch ein Studium abgeschlossen, und beide haben in ihrem Leben auch noch nie ernsthaft in Jobs gearbeitet. "Mit Salvini bin ich mir einig darin, dass es im Interesse aller Italiener nötig ist, dass das Parlament seine Arbeit aufnehmen kann", twitterte Di Maio in diesen Tagen und deutete damit an, dass man sich bezüglich der Kammerpräsidenten einig sei.

Eine künftige Regierungskoalition aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega wäre numerisch möglich. Besiegelt ist sie aber deswegen noch lange nicht. Das größte Hindernis sind die persönlichen Ambitionen von Di Maio und Salvini: Beide haben klargemacht, Regierungschef werden zu wollen.

Gauner und Steigbügelhalter

Bei Di Maio, dem Anführer der stärksten Einzelpartei im Parlament, ist dieser Anspruch legitim – bei Salvini wäre er es hingegen nur dann, wenn er das ganze Mitte-rechts-Lager in die Regierungsehe einbringen könnte, also auch Berlusconis Forza Italia. Das ist aber unwahrscheinlich: Der 81-jährige Cavaliere verkörpert schließlich die verhasste, korrupte, alte Gaunerpolitik.

Salvini müsste also eher allein – als Juniorpartner – eine Koalition mit den Grillini eingehen. Regierungschef wäre dann logischerweise Di Maio. Ob der ambitionierte Lega-Chef die Rolle als Steigbügelhalter akzeptieren würde, wird man sehen. Für die Wähler der Lega, die sich nach wie vor hauptsächlich in Norditalien finden, wäre eine Koalition ihrer Partei mit den Grillini jedenfalls nur schwer verdaulich: Das von der Protestbewegung versprochene bedingungslose Grundeinkommen für alle würde in erster Linie in den ärmeren Süden fließen, wo die Arbeitslosigkeit hoch ist. Die Eindämmung der Subventionen an den Mezzogiorno war aber bis vor kurzem noch das Hauptanliegen der Lega gewesen.

Vielleicht ist die Annäherung der Grillini an die Lega auch nur taktischer Natur: Es ist denkbar, dass Di Maio mit diesem Manöver den sich zierenden PD doch noch an den Verhandlungstisch zwingen will – nach dem Motto: Wenn ihr mit uns zusammenarbeitet, dann könntet ihr das aus eurer Sicht Schlimmstmögliche verhindern.

Tatsächlich rumort es bei den Linksdemokraten längst sehr vernehmbar. Vor allem Kulturminister und Exparteichef Dario Franceschini drängt vehement darauf, Gespräche mit den Grillini nicht rein prinzipiell auszuschließen – und sei es nur im Hinblick auf die Bildung einer Übergangsregierung, die einige wichtige Reformen durchführen würde, um das Land dann zu neuerlichen Wahlen zu führen.

Die offiziellen Konsultationen bei Staatspräsident Sergio Mattarella zur Regierungsbildung beginnen erst nach Ostern. (Dominik Straub aus Rom, 23.3.2018)