Himmelspanorama vor 70.000 Jahren: Das rote Leuchten ist etwas übertrieben dargestellt – Scholz’ Stern ist eher eine müde Funzel.
Illustration: José A. Peñas/SINC

Madrid – Vor etwa 70.000 Jahren könnten scharfäugige Steinzeitmenschen – Homo sapiens ebenso wie Neandertaler – einen roten Punkt mehr am Himmel gesehen haben. Und es lag nicht daran, dass es damals keine Lichtverschmutzung gab und der Sternenhimmel generell wesentlich prächtiger aussah, als wir ihn heute gewohnt sind.

Der Grund war vielmehr, dass damals ein anderes Sternsystem durch unsere kosmische Nachbarschaft zog, bestehend aus dem Roten Zwerg WISE J072003.20−084651.2 (nach seinem deutschen Entdecker Ralf-Dieter Scholz informell auch Scholz' Stern genannt) und einem noch kleineren Begleiter, vermutlich einem Braunen Zwerg. Die beiden erst 2013 entdeckten Partner umkreisen einander in geringerem Abstand als dem zwischen Erde und Sonne und haben zusammen nur 0,15 Sonnenmassen.

Ein Zwerg sorgt für Unruhe

Nichtsdestotrotz ist das eine beachtliche Masse, die Auswirkungen auf unser Sonnensystem haben müsste, wenn sie uns nahe genug kommt. Und das soll sie vor 70.000 Jahren auch getan haben: 2015 rechnete eine Studie im "Astrophysical Journal" vor, dass Scholz' Stern auf seiner Bahn damals nur zwischen einem und 0,6 Lichtjahren von uns entfernt war.

Damit wäre der Stern nahe an der Oortschen Wolke vorbeigezogen, vielleicht sogar durch sie hindurch – wie weit diese im Grunde immer noch hypothetische Ansammlung von Kometen und anderem kosmischen Schutt in den interstellaren Raum hinausreicht, ist nach wie vor unbekannt. Die Passage des Sterns müsste in der Wolke jedenfalls einiges durcheinander gebracht haben.

Neue Studie

Belege für diese Hypothese glauben nun spanische Forscher gefunden zu haben. Carlos und Raúl de la Fuente Marcos von der Universität Complutense Madrid gingen die Sache von der statistischen Seite an. Zusammen mit Sverre J. Aarseth von der Universität Cambridge analysierten sie die Bahnen von über 300 Objekten, die sich nicht auf den üblichen elliptischen, sondern auf hyperbolischen Bahnen durchs Sonnensystem bewegen. Das sind offene Bahnen, die in dieser Form nur einmal durchlaufen werden – ein Hinweis auf einen Störfaktor, der die betreffenden Objekte aus ihren friedlichen Ellipsenbahnen geworfen hat.

Die Forscher kalkulierten die Radianten dieser Objekte, also die "Positionen" am Himmel, aus denen diese Objekte gekommen zu sein scheinen. Das Ergebnis war keine Gleichverteilung, sondern eine statistisch signifikante Häufung im Sternbild der Zwillinge. Bei weitem nicht alle Objekte auf Hyperbelbahnen konnten auf diesen Ursprung zurückgeführt werden – ein schlagzeilenträchtiger Fall mit ganz anderem Ursprung war beispielsweise der zigarrenförmige Asteroid Oumuamua. Dennoch sei die Häufung auffällig, und sie würde räumlich und zeitlich zur Passage von Scholz' Stern passen, so die Forscher.

Wir sind wieder allein

Heute ist der Weg zum nächstgelegenen Stern deutlich weiter: Proxima Centauri, ebenfalls ein Roter Zwerg, ist 4,24 Lichtjahre von uns entfernt. Der steinzeitliche Störenfried indes hat es in der Zwischenzeit ein gutes Stück weiter geschafft: Scholz' Stern ist schon auf etwa 20 Lichtjahre Entfernung davongezogen. (jdo, 25. 3. 2018)