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Wien – Das Bundeskanzleramt setzt den nächsten formalen Schritt zur Zweidrittelmehrheit von ÖVP und FPÖ im Stiftungsrat: Freitag rief es in der "Wiener Zeitung" zu Vorschlägen für die Besetzung des Publikumsrats auf. Vorschläge für Vertreter gesellschaftlicher Gruppen müssen bis 20. April 12 Uhr mittags beim Bundeskanzleramt einlangen.

Der Bundeskanzler sucht 17 der künftig 29 bis 30* Publikumsräte aus Vorschlägen gesellschaftlicher Gruppen aus. Sie sollen diese Bereiche der Gesellschaft repräsentieren: Hochschulen, Bildung, Kunst, Sport, Jugend, Schüler, ältere Menschen, behinderte Menschen, Eltern bzw. Familien, Volksgruppen, Touristik, Kraftfahrer, Konsumenten sowie Umweltschutz. Der Kanzler bestimmt damit die Mehrheit im Publikumsrat, einem Gremium mit wenig Kompetenzen.

Spannend daran: Der Publikumsrat entsendet sechs seiner Mitglieder in den im ORF entscheidenden Stiftungsrat, bisher waren vier davon der SPÖ und zwei der ÖVP zugeordnet. Künftig dürften es nach STANDARD-Infos jeweils drei von ÖVP und FPÖ sein. Damit erreicht die türkis-blaue Regierung eine Zweidrittelmehrheit im Stiftungsrat, mit dem sie ORF-Generale absetzen kann.

Der ORF-Stiftungsrat bestellt den ORF-Generaldirektor, die Direktoren und die Landesdirektoren. Er beschließt jährliche Budgets und langfristige Finanzplanungen sowie Programmschemata für TV, Radio und Online (die grobe Struktur des Angebots). Er entscheidet über Gebührenerhöhungen, Käufe, Verkäufe, Tochtergründungen und andere wesentliche unternehmerische Angelegenheiten – etwa auch größere Investitionen wie das 303,7-Millionen Bau- und Sanierungsprojekt ORF-Zentrum auf dem Küniglberg. Er hat 35 Mitglieder, bestimmt von

  • Bundesregierung (9),
  • Parteien im Nationalrat (6),
  • Bundesländern (9),
  • ORF-Betriebsrat (5) und
  • ORF-Publikumsrat (6).

Der ORF-Publikumsrat hat kaum Kompetenzen, er kann ORF-Manager und -Mitarbeiter befragen und Empfehlungen aussprechen. Die wichtigste Kompetenz ist die Entsendung von sechs Stiftungsräten. Er kann Gebührenerhöhungen für ein paar Wochen verzögern – bis zu einem Beharrungsbeschluss des Stiftungsrats. Die Mitglieder des Publikumsrats bestimmen

  • Wirtschaftskammer Österreich (1),
  • Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs (1),
  • Bundesarbeitskammer (1),
  • ÖGB (1),
  • Kammern der freien Berufe gemeinsam (1),
  • römisch-katholische Kirche (1),
  • evangelische Kirche (1),
  • Akademie der Wissenschaften (1),
  • jeweils (1) die Bildungseinrichtungen der politischen Parteien im Natinonalrat *,
  • Bundeskanzler aus Vorschlägen von Organisationen gesellschaftlicher Gruppen und Interessen (17).

(fid 23,3.2018)