Michael Muhr leitet das Kulturforum Südburgenland in Eberau. Wenn im Salon nicht gerade Gäste ein- und ausspazieren, nutzt er ihn als eigenes, öffentliches Wohnzimmer – und blättert in der Geschichte.

"Das Haus wurde 1904 errichtet, und zwar auf den Resten eines alten Bauernhauses. Bis 1922 wurde dieser Raum hier als Kassenhalle einer ungarischen Sparkasse genutzt. Als Eberau eingeösterreichert wurde, sperrte die Bank zu und zog um. In den Jahrzehnten danach wurde das Haus als Gasthaus genutzt. Das war ein Kultgasthaus unter dem Namen Skrapic, in dem die Männer Karten spielten und die Wirtin bis um vier in der Früh Gulasch kochte. Sie war die gute Seele von Eberau. Die Menschen schwärmen heute noch davon.

"Bei mir muss alles Vollholz sein. Ich hasse diese neuen Industriemöbel, die beim zweiten Verrücken auseinanderfallen." Michael Muhr in seinem Salon in Eberau.
Foto: Nathan Murrell

Anfang der Neunzigerjahre diente das Haus dann als Lager für die Grenzsoldaten des Bundesheers. Hier unten standen die Feldbetten der Grenzschutzkompanie. Oben im ersten Stock, in den kleinen, verwinkelten Räumen, wohnten die Offiziere.

Zuletzt stand das Haus ziemlich lange Zeit zum Verkauf. Kein Wunder! Wer kauft schon ein Haus am Rande des Landes mit 600 Quadratmetern Wohnfläche? Niemand. Außer ich halt. Ein Freund rief mich damals an und sagte: ,Du, Michael, pass auf, ich habe da ein verrücktes Haus, das niemand haben will. Ich denke, das wäre perfekt für dich.' Und ja, in gewisser Weise hatte er recht. Als ich den Raum das erste Mal betrat, das war 2008, war ich schockiert, denn der Zustand war desolatest – und doch fühlte ich mich von der allerersten Sekunde an irgendwie daheim. Das Haus mit seinem Charme und seinem großen Katalog an Geschichte passt einfach zu mir. Es ist ein Haus mit Jahresringen.

Foto: Nathan Murrell

Und das Allerwichtigste ist: Es eignet sich sehr gut als Hybrid aus Wohnhaus für mich und meine Kinder sowie als Kulturforum Südburgenland, in dem diverse kulturelle Aktivitäten stattfinden können. Mal ist es Oper, mal Operette, dann veranstalten wir Konzerte, Lesungen, Ausstellungen und Theateraufführungen. Und niemand redet uns drein, wir sind unsere eigenen Chefs. Heute Abend eröffnen wir die Ausstellung der ungarischen Malerin Virág Dóczi. Dann ist die Bude wieder voll, ich freue mich darauf!

Die Sanierung war ein Drama: Boden rausreißen, Heizung installieren, Toiletten einbauen, Putz zum Teil abschlagen, Mauern trockenlegen, neue Stromkreise einziehen, Böden einbauen, Sicherheitsvorkehrungen für Veranstaltungen treffen und so weiter. Heute kann ich sagen: Die Sanierung hat locker noch einmal so viel gekostet wie das Haus an sich. Da fließen die Tausender nur so in Strömen! Aber ich mag das Resultat, sehr sogar. Am liebsten habe ich den alten Ofen, der aus einer alten Wiener Villa stammt. Ich wärme mich gerne an diesem Ofen. Und wenn hier nicht gerade Veranstaltungen stattfinden und fremde Menschen ein- und ausgehen, dann nutze ich den Salon als mein eigenes öffentliches Wohnzimmer und sitze in diesem Fauteuil und lese stundenlang in historischen Büchern.

Foto: Nathan Murrell

Bei mir muss alles Vollholz sein. Ich hasse diese neuen Industriemöbel, die beim zweiten Verrücken auseinanderfallen. Und wenn ich Spanplatten sehe, dann macht mich das in der Sekunde depressiv. Genauso wie übrigens manchmal die zu Tode gelifteten Frauen. Das ist doch wirklich grauenvoll, oder? Es gibt doch nichts Schöneres, als in ein ehrliches, faltiges, lebendiges Gesicht zu schauen und sich an der Fülle der Erlebnisse dieses Menschen zu erfreuen. Und so ähnlich, denke ich, ist das auch mit Häusern. Ja, es mag objektiv betrachtet attraktivere Häuser geben, aber ich fühle mich in diesen Spuren und Fehlern dieses Gebäudes wirklich wohl. Es ist ein Refugium in einer spannenden Region mit vielen Sprachen und vielen, vielen Kulturen." (26.3.2018)