Public Viewing in Wien: Dem Tourismus schaden solche geselligen Veranstaltungen nicht.

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St. Johann/Pongau – Sport, oft als "schönste Nebensache der Welt" tituliert, ist für das wirtschaftliche Fortkommen Österreichs alles andere als nebensächlich. Eine Auswertung touristischer Zahlen zeigt, dass die durch Sport induzierte touristische Wertschöpfung in Österreich mit 4,12 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) fast doppelt so hoch liegt wie im EU-Schnitt (2,72 Prozent). "Das sind fast 15 Milliarden Euro", sagte Ökonom Christian Helmenstein bei einem Tourismusseminar der Wirtschaftskammer in St. Johann/Pongau. Folglich sollte man diese Karte überlegt, aber durchaus offensiver als bisher ausspielen. "Dem Tourismus würden Sport-Großveranstaltungen gut tun", sagte Helmenstein.

Nun hat sich aber erst im Herbst die Bevölkerung Tirols mehrheitlich gegen eine Bewerbung um Olympische Winterspiele 2026 in Innsbruck ausgesprochen und auch andere sportliche Großereignisse stoßen nicht unbedingt auf ungeteilte Zustimmung. Was tun? Eine offene, transparente Kommunikation mit der Bevölkerung sei unabdingbar, meint Helmenstein. Mit der klaren Ansage, dass die öffentliche Hand über eine im Vorhinein fixierte Budgetobergrenze nicht hinausgehe, könnten Ängste reduziert werden, dass bei Kostenüberschreitungen doch wieder der Steuerzahler zum Handkuss kommt. Ein gewisses Risiko sollte durchaus auch der Privatwirtschaft übertragen werden, meint Helmenstein.

Fußball-Europameisterschaft als Vorzeigebeispiel

Als gelungen bezeichnete Helmenstein die 2006 in Österreich stattgefundene Fußball-Europameisterschaft, die unterm Strich 300 Millionen Euro an Mehreinnahmen gebracht und den guten Ruf Österreichs im Ausland gefestigt habe. Speziell Wien und Salzburg konnten ihre Nächtigungsstatistiken in den Folgejahren nicht zuletzt wegen dieses Großereignisses nachhaltig verbessern.

Interessant fände Helmenstein eine gemeinsame, grenzüberschreitende Bewerbung von Wien, Bratislava und Budapest um Olympische Sommerspiele. Dies würde einen "längst überfälligen Investitionsschub" in Sportstätten in Ostösterreich auslösen. Auch könnte dadurch möglich werden, was ohne ein solches Großereignis anscheinend nicht geht: eine zeitgemäße Anbindung auf der Schiene zwischen der österreichischen und slowakischen Hauptstadt zustande zu bringen. Gerade was Sportstätten betrifft, sei Österreich abseits von Seilbahnen und Skihängen mehr schlecht als recht aufgestellt. "Österreich ist Europameister im Sporttourismus, könnte durch eine optimierte Ausnutzung der Potenziale aber noch viel besser sein", sagte Helmenstein.

Viele Profiteure

Noch etwas geht aus der Auswertung touristischer Zahlen, die das von Helmenstein geleitete Institut für Sportökonomie im Auftrag des Fachverbands Tourismus in der Wirtschaftskammer durchgeführt hat hervor: In Österreich ist der Anteil der Beschäftigung, die direkt oder indirekt mit Sport zu tun hat, mit 5,63 Prozent mehr als doppelt so hoch als im EU-Schnitt (2,72 Prozent). Vom Sporttourismus profitiert eine Vielzahl an Branchen. Hauptnutznießer ist der Studie zufolge das Beherbergungsgewerbe- und Gaststättenwesen, gefolgt von der Transportwirtschaft, allen voran den Seilbahnen. Aber auch Kultur-, Sport- und Unterhaltungsdienstleistungen sowie Hersteller von Sportgeräten (Ski) und der Maschinenbau (Pistenraupen, Beschneiungsanlagen) leben vom zunehmend stärker werdenden Verlangen nach mehr Bewegung auch und gerade im Urlaub.

Mit der Renaissance des Sommerurlaubs, der inzwischen wieder mehr Nächtigungen generiert als der traditionell starke Winter, sei es zunehmend wichtig, komplementäre Angebote für Gäste vorzusehen, die statt Mountainbiken lieber eine Ausstellung, statt ein Fußballmatch lieber ein Theater oder ein Konzert besuchen. Damit ließen sich nicht nur eingefleischte Sportfans nach Österreich locken, sondern auch weniger sportliche Familienmitglieder, sagte Helmenstein. (Günther Strobl, 23.3.2018)