Teil von "7 Dialogues": Christopher Roman verkörpert Ivo Dimchev.

Foto: Dorothea Tuch

Innsbruck – Frisch, wach und schon auch rebellisch sollen sie sein, mindestens megakreativ und immer verfügbar, clever, selbstbewusst, freundlich plus offen für die Welt der Waren. Die "Jungen" sind heute dazu verdammt, als eierlegende Wollmilchferkel gefälligst all das zu repräsentieren, was die Älteren in sie hineinstopfen.

Kein Wunder, dass viele von ihnen zwischen Selbstüberschätzung und Ratlosigkeit in die Resignation abtanzen. Auch in den Künsten und besonders im Tanz. Da zeigt sich einerseits der "Nachwuchs" als überfordert von der neuen Komplexität der Gesellschaft. Zum anderen werden erfahrene Tänzerinnen und Tänzer meist aufs Abstellgleis verschoben, sobald sie in den 40er-Bahnhof eingefahren sind.

Seit 2015 zeigt das Berliner Dance On Ensemble, wie es anders geht. Nach ihrem erstaunlichen Auftritt kürzlich im Festspielhaus St. Pölten war die Company aus Vierzig-plus-Tänzern nun am Wochenende zum zweiten Mal in Österreich zu Gast. Das Osterfestival Tirol zeigte in der Innsbrucker Dogana ein Double-Feature aus dem Projekt 7 Dialogues des italobritischen Musikers Matteo Fargion und dem Stück Man Made von Jan Martens, der zurzeit als Choreograf in Belgien arbeitet.

Ohne jugendkultigen Zirkus

Das Dance On Ensemble meidet, was gereifte Tanzkünstler oft praktizieren: die Wiederholung von Routinen bei gleichzeitigem Unwillen, sich dem permanenten Wandel in Gesellschaft und Kunst immer wieder neu zu stellen. Weder sucht das Ensemble, einen jugendkultigen Zirkus zu imitieren, noch, sich – wie das etwa 1991 bis 2006 beim renommierten NDT III, Jirí Kyliáns Gruppe für reife Tänzer, der Fall war – in Selbstbeweihräucherung zu verlieren.

Matteo Fargion (56) ist in der Szene der zeitgenössischen Choreografie als kongenialer Partner des Tänzers Jonathan Burrows – ihre gemeinsamen Meisterwerke wie Both Sitting Duet oder Cow Piece sind wohl die witzigsten Klassiker des konzeptuellen Tanzes – bekannt wie ein bunter Hund. Für Dance On hat er sich mit sieben Ensemblemitgliedern sowie ebenso vielen internationalen Choreografinnen und Choreografen zusammengespannt. Aus diesen künstlerischen Dreiecksverhältnissen sind sieben Soloperformances geworden. Fünf davon waren beim Osterfestival zu sehen.

Ironischer Tiefgang

Herausragend darunter ist die Selbstironisierung des Bulgaren Ivo Dimchev, der sich in seinem Beitrag von dem Dance-On-Tänzer und -Leiter Christopher Roman verkörpern lässt. Hinreißend, wie Roman die kapriziöse Erscheinung Dimchevs interpretiert. In weiteren Soli lässt sich etwa die Tänzerin Jone San Martin vom Forced-Entertainment-Regisseur Tim Etchells porträtieren und Ty Boomershine von der weniger bekannten New Yorkerin Beth Gill.

In Martens' Quintett Man Made erreicht der ironische Tiefgang, wie er in den 7 Dialogues zu erleben ist, eine Gruppendimension. Darin formt das Ensemble choreografische Menschmaschinen, die in verschiedenen Bewegungs- und Raumkonstellationen lebende Kommunikationsmodelle auf die Bühne tanzen lassen. Am Montag und Dienstag zeigt das Osterfestival mehr Tanz – mit Stücken von Helena Waldmann und Radhouane El Meddeb. (Helmut Ploebst, 26.3.2018)