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Ferrari und Mercedes lieferten sich in Melbourne einen Zweikampf.

Foto: REUTERS/BRANDON MALONE

Melbourne – Mercedes hat sich beim Großen Preis von Australien nicht auf der Strecke, sondern auf dem Daten-Highway verfahren. "Wir stützen uns auf so viele Computer, so viele Daten, so viel Technologie, um eine Strategie zu entwerfen", beklagte Lewis Hamilton nach seinem zweiten Platz, der sich anfühlte "wie eine dunkle Wolke". In Melbourne traf den Briten aber auch die Unmöglichkeit des Überholens.

Mercedes agierte am Sonntag zwar einerseits von der Kommandozentrale unglücklich, hatte dazu aber auch Pech mit Gegebenheiten, die das Team nicht beeinflussen konnte. Daher gewann Ferrari-Pilot Sebastian Vettel das erste Rennen der Saison dank eines perfekt platzierten Reifenwechsels zu Beginn der virtuellen Safety-Car-Phase. "Ich wünschte, ich hätte es mehr in meiner Hand gehabt", sagte Hamilton.

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff erklärte, dass eine Strategiesoftware das sichere Zeitfenster zwischen Vettel und Hamilton falsch berechnet habe. Der Deutsche blieb in der Boxenstraße vor dem ihn verfolgenden Hamilton, was ohne Virtuelles Safety Car niemals möglich gewesen wäre. "Wenn ich gewusst hätte, dass Sebastian in meinem Fenster ist, wäre ich wohl in der Lage gewesen, etwas zu ändern, ja. Ob es gereicht hätte, weiß ich nicht sicher", wollte Hamilton aber niemandem direkt Vorwürfe machen.

Adrenalinschub für Vettel

"Sie haben mir gesagt, dass es sehr knapp ist mit Lewis", berichtete Vettel später über den Moment, als das Virtual Safety Car aktiviert wurde. Er habe einen Extraschub Adrenalin gespürt. In der Einfahrt zu Boxengasse und der Ausfahrt musste sich der viermalige Weltmeister nicht an die vorgegebene Sektorzeit halten – das gab ihm den entscheidenden Vorteil, um vor Hamilton wieder auf die Strecke zurückzukehren.

Nachher biss sich Hamilton auf dem engen Albert Park Circuit die Zähne aus und schaffte es nicht an Vettel vorbei. Der Brite kämpfte auch mit den komplizierten Aerodynamik-Elementen, deren Luftströme massiv gestört werden, wenn man zu dicht an den Vordermann heranfährt. Das wurde neuerlich deutlich. "Ich habe alles gegeben, was ich in mir habe, aber ich konnte einfach nicht nahe genug kommen", berichtete Hamilton. "Es war wie ein Magnet. Man kann einen Magnet nicht weiter als bis zu einem Bereich bewegen."

Aus Rücksicht auf die Power Unit gab er den Kampf fünf Runden vor Schluss auf.

"Einer gegen zwei"

Dass es überhaupt zu dieser Situation kam, war der Tatsache geschuldet, dass Ferrari beide Autos in der Spitzengruppe hatte. "Es war einer gegen zwei", sagte Hamilton. Sein Teamkollege Valtteri Bottas kurvte nach einem Crash im Qualifying und einer Getriebewechsel-Strafe mit mäßigem Erfolg im Mittelfeld herum und wurde schließlich Achter.

Laut Wolff konzentrierte sich Mercedes zunächst auf den zweiten Ferrari von Kimi Räikkönen. Der Finne, der schließlich Dritter wurde, war schneller unterwegs als Vettel und daher die größere Bedrohung. Als er zum Reifentausch an die Box fuhr, habe man Hamilton angewiesen, es ihm gleichzutun, um einen Undercut zu verhindern. "Wir mussten den Kimi covern, und wenn du den Kimi coverst, wirst du anfällig für ein Safety Car oder ein Virtuelles Safety Car", betonte der Österreicher.

Wenn sich Mercedes etwas gefallen lassen muss, dann die Frage, warum man Hamilton nicht anwies, vor seinem Reifenwechsel, als er als Führender das Tempo diktierte, noch schneller zu fahren. So stecke er am Ende hinter Vettel fest.

"Auto mit Potenzial" vs. "tolles Auto"

Vettel vermisste trotz Sieges bei seinem Auto an diesem Wochenende allerdings noch den gewissen "Wohlfühl-Faktor". "Das Auto hat riesiges Potenzial, aber ich kämpfe noch ein bisschen damit", erklärte er. "Das Auto antwortet nicht so, wie man es gerne hätte, und es rutscht immer noch an Stellen, wo ich nicht will, dass es rutscht. Ich möchte, dass das Auto exakt richtig reagiert, wenn ich auf die Bremse steige und einlenke, und damit bin ich noch nicht glücklich."

Vettel erinnerte an seinen Melbourne-Sieg 2017. Dieser Erfolg sei nicht unerwartet gewesen, weil er ein besseres Gefühl mit dem Auto gehabt habe. "Ich glaube, letztes Jahr waren wir schneller. Letztes Jahr haben wir sie unter Druck gesetzt." Im Moment sei Ferrari hinter Mercedes, meinte Vettel, etwa drei Zehntelsekunden langsamer. "Von da her wissen wir, dass wir noch nicht da sind, wo wir hinwollen, denn wir wollten die Schnellsten sein."

Hamilton wollte sich nicht zu einer Prognose für den weiteren Saisonverlauf hinreißen lassen. "Vor den ersten vier Rennen hat man kein gutes Bild", meinte der Weltmeister. Hoffnung gebe ihm, dass der Speed passe. "Es fühlt sich wie eine dunkle Wolke an, aber es ist noch immer ein positives Resultat. Wir haben ein tolles Auto. Mit ein paar Anpassungen können wir das nächste Rennen gewinnen." In Bahrain, wo am 8. April im Kreis gefahren wird, sei Ferrari aber immer stark, warnte er. (APA, red, 26.3.2018)