Ein Überblick, wann, welche Pollen fliegen.

Grafik: DER STANDARD

Von Ende März bis Mai ist die Zeit der Birkenpollen.

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Hier die Birkenpolle in der Großaufnahme.

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Die Gräserpollen werden gegen Ende April zum Problem für Allergiker.

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Es wird gerade wieder mühsam. Die Augen jucken, der Hals kribbelt, und die Schniefnase nervt. Der Frühlingsbeginn ist für viele Pollenallergiker kein Grund zur Freude. Und das alles nur, weil sich ihre Immunabwehr irrt. Trifft ein harmloser Gräserpollen auf die feuchte Nasenschleimhaut, dringen innerhalb von Sekunden aus dem Pollenkorn freigesetzte Eiweißkörper (Allergene) in die Schleimhaut ein.

Das so sensibilisierte Immunsystem antwortet prompt: Es produziert gegen die vermeintlichen Feinde maßgeschneiderte Antikörper, sogenanntes Immunglobulin E (IgE). Beim nächsten Kontakt mit Gräserpollen kann es dann zu einer sofortigen allergischen Reaktion kommen. Die Pollen plagen Betroffene tagsüber und nachts. Das führt zu Schlafmangel, vermindert die Leistungsfähigkeit in Schule und Beruf und belastet auch das psychische Befinden.

Forscher der Medizinischen Universität Wien hoffen, dass sich das ab 2021 für Gräserpollenallergiker bessern wird. Dann könnte eine Immuntherapie mit einem synthetischen "Impfstoff" (BM32) einsatzbereit sein, wenn ihre letzte Zulassungsstudie erfolgreich sein sollte. Es wäre die Krönung der jahrelangen Entwicklungsarbeit von Rudolf Valenta und seinen Mitarbeitern von der Med-Uni Wien in Kooperation mit der Wiener Firma Biomay AG.

Was es bisher gibt

Die Gräserpollenallergie betrifft etwa 15 Prozent der österreichischen Bevölkerung und ist die häufigste Allergie. Insgesamt leiden fast 30 Prozent der Bevölkerung an einem überaktiven Immunsystem. Etwa die Hälfte der Bevölkerung hat eine Sensibilisierung auf zumindest ein Allergen. Diese Zahl ist in den letzten Jahren gleich geblieben. "Aber bedingt durch Umweltfaktoren kommt die Allergie bei mehr sensibilisierten Menschen zum Ausbruch", bedauert Valenta.

Augentropfen, Antihistaminika und Kortikoidsprays helfen akut. Sie lindern die allergische Entzündung kurzzeitig, wirken aber nicht ursächlich. Wer eine langfristige Besserung anstrebt, sollte eine Hyposensibilisierung machen. Diese spezifische subkutane Immuntherapie (SCIT) konfrontiert das Immunsystem mit den Allergenen in steigenden Konzentrationen und führt zur Bildung von schützenden Antikörpern. "Je früher Patienten damit behandelt werden, desto besser ist es", sagt der Allergologe und Dermatologe Ulf Darsow vom Klinikum rechts der Isar in München. Dadurch sinkt das Risiko eines sogenannten Etagenwechsels vom Heuschnupfen zum allergischen Asthma bronchiale.

Allerdings ist das Prozedere zeitaufwendig: Der Arzt spritzt dem Allergiker den Allergenextrakt zunächst wöchentlich, später alle vier bis fünf Wochen über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren unter die Haut. Zumindest für die nächsten Jahre ist eine merkliche Toleranz des Allergens im Körper erreicht (etwa 55 Prozent Symptomlinderung, davon Placebo bis zu 25 Prozent). Mehrere moderne Studien mit gut definierten Gräserallergenpräparationen erreichten laut Darsow bis zu 70 Prozent (einschließlich Placebo) Symptomlinderung. Voraussetzung: eine konsequente Therapiedurchführung.

Neue synthetische Pollen

Mittlerweile sind auch sublinguale Hyposensibilisierungen, sogenannte sublinguale Immuntherapien (SLIT), anerkannt. Tropfen oder Tabletten werden dabei drei Jahre lang täglich zu Hause unter der Zunge appliziert. Die SLIT kann unter Umständen zu lokalen Nebenwirkungen wie beispielsweise vorübergehendem Gaumenjucken führen. Bei der subkutanen Hypo treten häufig Rötung, Schwellung und Juckreiz im Bereich um die Injektionsstelle auf. Zu potenziell lebensbedrohlichen allergischen Allgemeinreaktionen kommt es nur selten.

Derzeit wird auch erforscht, wie wirksam eine Hypo ist, bei der das Allergen äußerlich auf die Haut aufgebracht wird. Im Fachbegriff wird das epikutane Immuntherapie, kurz EPIT, genannt. Valenta bemängelt, dass die für die bisherige Hyposensibilisierung verwendeten Allergiestoffe aus natürlichen Allergenextrakten hergestellt werden. "Ihre Zusammensetzung variiert in Abhängigkeit vom Rohstoff. Manche Allergene sind gar nicht oder nur spärlich im Extrakt enthalten, manche in einer Form, die das Immunsystem unbeeindruckt lässt."

Auch fänden sich gelegentlich Verunreinigungen aus anderen Allergenquellen. Sein BM32 wird auf raffinierte Weise synthetisch hergestellt. Deshalb bleibt die Qualität unverändert. Die Wiener Forscher isolierten das genetische Material der vier wichtigsten Gräserpollenallergene. Sie modifizierten es so, dass es nicht mehr allergen wirkt, also nicht die Ausschüttung von IgE-Antikörpern bewirkt. Dafür werden vermehrt Immunglobulin G-Antikörper (IgG) gebildet. Wird das modifizierte Genmaterial in Bakterien eingebaut, entstehen in großen Mengen Proteine gleichbleibender Qualität. Diese enthalten Allergenbruchstücke, die an ein Trägerprotein aus der Hülle des Hepatitis-B-Virus geheftet sind.

Antikörperschutzschirm aufbauen

An einer placebokontrollierten Phase-IIb-Studie nahmen 181 Heuschnupfen- und gut eingestellte Asthmapatientinnen aus elf europäischen Zentren teil. Laut den Anfang 2018 im renommierten Fachblatt Journal of Allergy and Clinical Immunology veröffentlichten Ergebnissen lindert er die Symptome im Vergleich zu Placebo um durchschnittlich rund 25 Prozent. "Je stärker die Teilnehmer von den Gräserpollen betroffen waren, umso ausgeprägter war auch der positive Effekt nach der Impfung", so die Erstautorin Verena Niederberger-Leppin, HNO-Ärztin und Kollegin Valentas.

Eine weitere, einstweilen noch unveröffentlichte Phase-IIb-Studie erzielte laut Valenta bei vielen ein deutlich besseres Ergebnis. Er verweist auf viele Vorteile gegenüber der SCIT mit Extrakten. Das Therapieprozedere sieht künftig nur vier bis fünf Spritzen im ersten Jahr, gefolgt von einer jährlichen Auffrischungsspritze vor. Laut Valenta treten keine gefährlichen Nebenwirkungen auf.

"Der aktuelle Impfstoff verursacht die Bildung von Immunglobulin G und so den Aufbau eines Antikörperschutzschirms", erklärt er. Bei Allergenkontakt verhindere er, dass Allergene eine Entzündung auslösen. Eine einjährige multizentrische Phase-III-Zulassungsstudie mit 600 Probanden wie auch eine Studie mit Kindern sollen demnächst beginnen. Erst dann wird ein abschließendes Urteil möglich sein, ob diese synthetische Heuschnupfen-Immuntherapie zugelassen und erhältlich wird. Weitere Studien müssen außerdem zeigen, ob der Etagenwechsel verhindert wird. Valentas Fernziele sind noch größer: mit BM32 verhindern, dass bereits sensibilisierte Menschen eine Gräserpollenallergie bekommen. Irgendwann soll BM32 prophylaktisch bereits die Sensibilisierung vermeiden helfen. (Gerlinde Felix, 27.3.2018)