Frauen, die allergisch auf das prostataspezifische Antigen (PSA) reagieren, nützt es nichts, wenn sie den Partner wechseln. In manchen Fällen verschwindet die Allergie wieder von selbst.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Nein, es ist kein Mythos oder gar eine Ausrede, weil eine Frau keine Lust auf Sex hat: Die Sperma-Allergie gibt es wirklich. Im Gegensatz zur Pollenallergie ist die gegen Sperma allerdings sehr selten. Bislang wurden weltweit gerade mal an die 100 Fälle in der Fachliteratur beschrieben.

"Für Betroffene ist die Allergie dennoch dramatisch", sagt Johannes Ring, Hautarzt und Allergologe vom Haut- und Laserzentrum an der Oper in München. Seitdem er und sein Team in den 1980er-Jahren erstmals über die Allergie berichteten, mehren sich auch die Fälle. Inzwischen behandelt Ring gut drei Frauen pro Jahr. "Das bedeutet nicht, dass die Allergie zugenommen hat", sagt der Facharzt, "vermutlich wussten die Frauen nur vorher nicht, an wen sie sich mit ihren Symptomen wenden sollten."

Äußern tut sich die Sperma-Allergie wie viele andere Allergien auch: Das Immunsystem wertet einen im Grunde harmlosen Stoff als krankheitserregend und löst eine Abwehrfunktion aus. Im Falle der Sperma-Allergie bedeutet das: Hat die betroffene Frau ungeschützt Sex und kommt in Kontakt mit der Samenflüssigkeit, kann ihr Intimbereich innerhalb weniger Minuten anfangen zu jucken und anschwellen. Manchmal bilden sich auf der Haut auch unangenehme Quaddeln. "Ist die Allergie stärker ausgeprägt, wird der Frau mitunter auch übel oder muss sich erbrechen", berichtet Ring.

Prostataspezifisches Antigen als Auslöser

Der Extremfall ist der anaphylaktische Schock. Das heißt, die Atemwege schwellen zu und die Frau bekommt keine Luft mehr – "da hilft dann nur noch die Notaufnahme", sagt der Allergologe, "ansonsten kann die Sache tödlich enden." Beim Oralverkehr ist die Gefahr eines anaphylaktischen Schocks sogar noch höher. "Das Ejakulat kommt hier ja direkt in Kontakt mit den Atemwegen", erklärt Ring.

Tatsächlich reagieren betroffene Frauen auch nicht allergisch auf das gesamte Sperma, sondern "nur" auf das prostataspezifische Antigen (PSA). Das Protein wird in der Prostata produziert und dem Ejakulat dann beim Samenerguss ganz automatisch beigemengt. Die Allergie ist also partnerunspezifisch.

Ob es auch unter Männern Sperma-Allergiker gibt, darin sind sich Mediziner bislang nicht einig, weiß Ulrich Knuth, Facharzt für Gynäkologie und Mitglied des Bundesverbands Reproduktionsmedizinischer Zentren. Zwar gibt es einige Fallberichte, in denen vom sogenannten Post Orgasmic Illness Syndrome berichtet wird, also von Krankheitssymptomen, die nach dem Orgasmus auftreten. Ob es sich hierbei jedoch wirklich um eine Allergie handelt und nicht vielleicht doch um eine Autoimmunerkrankung, ist bislang nicht eindeutig geklärt. So reagieren die Männer im Allergietest zwar positiv auf Sperma, die Symptome sind jedoch allergieuntypisch. Berichtet wird etwa von Kopfschmerzen und grippeähnlichen Anzeichen wie Schlappheit und leichtem Fieber. "Hier ist also noch Forschungsbedarf", fasst Gynäkologe Knuth zusammen.

Therapie kann Jahre dauern

Sicherheit, ob eine Frau tatsächlich gegen Sperma allergisch ist, bringt ein ganz normaler Allergietest im Blut. Ist der Test positiv, rät Facharzt Ring in erster Linie zu Kondomen. Ist die Allergie nicht besonders ausgeprägt, könnten auch Medikamente helfen, sogenannte Antihistaminika. "Die unterdrücken die Symptome", erklärt der Allergologe. Eine weitere Möglichkeit ist die Hyposensibilisierung. "Hierbei wird den Frauen der allergieauslösende Stoff in steigender Dosis unter die Haut injiziert", erklärt Ring. Das Immunsystem wird damit in gewisser Weise umprogrammiert und fängt an, sich an das Allergen zu gewöhnt. Bis die Therapie wirkt, kann es allerdings einige Jahre dauern.

Wenn die Frauen Glück haben, verschwindet die Allergie mit den Jahren auch von ganz allein. Darauf spekulieren sollten sie allerdings nicht – zumindest nicht, wenn sie Kinder haben wollen. In diesem Fall rät Reproduktionsmediziner Knuth ebenfalls zur Hyposensibilisierung. "Bringt die Behandlung hingegen nichts, bleibt noch die künstliche Befruchtung", so Knuth. Hierbei werden die Spermien aus dem Ejakulat "rausgewaschen" und der Allergikerin anschließend in die Gebärmutter übertragen. Ist die Frau ansonsten gesund, ist die Methode meist sehr wirkungsvoll. (Stella Marie Hombach, 3.4.2018)